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Dauerbrenner der Berliner Opernhäuser: Die ABC-Schützen

Premieren sind wichtig – die meisten Abende aber bestreiten die Berliner Opernhäuser aus dem Repertoire. Was 2013/14 immer noch gut ist.

Ob das irgendwann noch einmal etwas wird mit einer neuen „Tosca“ für Berlin? Seit Menschengedenken ist Puccinis Rom-Drama nicht mehr in der Stadt inszeniert worden – gespielt wird das Stück natürlich trotzdem ständig: in der 1968er Version von Boleslaw Barlog (verstorben 1999) an der Deutschen Oper sowie in der 1976er Version von Carl Riha (verstorben 2012) an der Staatsoper. Beides sind ganz traditionell gemachte Produktionen mit naturalistischen Bühnenbildern, die beim Publikum immer gut ankommen. Vor allem, wenn in die dekorativen Dekorationen durchreisende Stars gestellt werden. Kein Wunder, dass die Intendanten davor zurückschrecken, für eine möglicherweise kontrovers aufgenommene Neudeutung der Oper die alten cashcows zu schlachten.

Fünf „Tosca“-Termine mit zwei unterschiedlichen Besetzungen hat die Staatsoper zwischen Februar und Juni angekündigt, es dirigiert Stefan Ranzani. An der Deutschen Oper gibt es sechs Aufführungen, geleitet von Ivan Repusic mit drei unterschiedlichen Solisten-Teams. Wobei die Januar-„Toscas“ mit dem Nobelbariton Thomas Hampson als Scarpia und dem jungen, angenehm hellstimmigen Italiener Marcello Giordani als Cavaradossi wahrscheinlich die klanglich opulentesten werden, während im Mai die Flammen der Leidenschaft besonders hoch lodern dürften, wenn Liudmyla Monastyrska die Titelheldin ist. Beim konzertanten „Attila“ zum Saisonende beeindruckte die Ukrainerin im Juni nachdrücklich mit wilder interpretatorischer Entschlossenheit – und einer Riesenstimme, mit der sie ebenso Sopranblitze schleudern wie sehnsüchtige Kantilenen zum Strahlen bringen kann. Im Februar wird Liudmyla Monastyrska übrigens auch Verdis Aida an der Staatsoper sein.

Premieren sind wichtig, um mediale Aufmerksamkeit zu erregen, gerade in einer Stadt wie Berlin mit dem wohl größten Klassikangebot auf dem Globus. Den allergrößten Teil ihres Spielplans aber bestreiten die hauptstädtischen Musiktheater aus dem Fundus. Nur so funktioniert das traditionelle deutsche Repertoiresystem, bei dem im täglichen Wechsel verschiedene Werke angeboten werden. Das Stagioneprinzip nach italienischem Vorbild hat zwar den Vorteil, dass hier jeweils nur eine frische Produktion in Serie gezeigt wird – dafür lässt sich aber eine viel geringere Aufführungszahl realisieren.

Zum Füllen des Spielplans nutzen die Intendanten weltweit gern das ABC: Aida, Bohème, Carmen. Diese Stücke gehen immer, egal, wie alt die Inszenierungen sind. In Deutschland gehört unbedingt noch Mozarts „Zauberflöte“ dazu, in Berlin speziell sind alle Opern von Richard Wagner Kassenmagneten. Bei Götz Friedrichs legendärem „Ring des Nibelungen“ aus den frühen achtziger Jahren ist der Saal sogar dann voll, wenn mitten unter der Woche der fünf Stunden lange „Siegfried“ gegeben wird.

Acht Neuproduktionen bietet die Komische Oper in der Saison 2013/14, dazu 15 Stücke im Repertoire. Neun Premieren kündigt die Staatsoper für die große Bühne in der Ausweichspielstätte des Schillertheaters an, dazu fünf Werkstatt-Produktionen und 22 Opern im Repertoire. Die Deutsche Oper will sechs szenische und zwei konzertante Premieren herausbringen, das Repertoire umfasst hier 25 Stücke. Unter diesen Dauerbrennern gibt es durchaus Produktionen, die eine Wiederbegegnung lohnen.

Wer in der Oper vor allem schöne Stimmen hören will, stört sich oft an der Optik aktueller Regiehandschriften. Konservativen Fans bietet beispielsweise die Deutsche Oper zwei Produktionen mit gemalten Originaldekorationen aus dem 19. Jahrhundert an. Zum einen Donizettis „Lucia di Lammermoor“, die im März und Mai zu sehen ist, wobei die erste Serie vom jungen, temperamentvollen Spanier Guillermo Garcia Calvo dirigiert wird. Und zum anderen „La Gioconda“, das Meisterwerk von Puccinis Kompositionslehrer Amilcare Ponchielli. Ein hochdramatischer Vierakter voll leidenschaftlicher Arien, der zu allem Überfluss auch noch in Venedig spielt. Neben dem Tenorstar Marcelo Alvarez wird im Januar und Februar Hui He zu hören sein, die jüngst eine ideale Aida in der Arena di Verona war.

In historischen Kulissen – nämlich den von Karl Friedrich Schinkel entworfenen – wird an der Staatsoper die „Zauberflöte“ gespielt. Ein Klassiker ist Ruth Berghaus’ „Barbier von Sevilla“ geworden, mit der ästhetisch perfekten Ausstattung in stilisiertem Barock von Achim Freyer. Seit 1968 (!) ist diese Produktion nun schon im Spielplan des Hauses und immer noch sehenswert.

Gleich für zwei Werke hat die Staatsoper Zubin Mehta verpflichten können: Im Februar dirigiert er sowohl die konventionelle „Aida“ als auch Harry Kupfers intensive „Salome“. Mit Hausherr Daniel Barenboim ist „Don Giovanni“ zu erleben. Ein absolutes Highlight: Regisseur Claus Guths erzählt das Stück als Thriller im tiefen Tannwald inszeniert (Oktober und November).

An der Komischen Oper gilt grundsätzlich: Das Ensemble ist der Star. Teure Namen kann man sich hier nicht leisten, dafür stehen ausschließlich Spielwütige auf der Bühne. Da das Publikum an der Komischen Oper vor allem Novitäten sehen will, ist die Halbwertszeit der Inszenierungen deutlich kürzer als an den großen Häusern. Drei Produktionen sollte man nicht verpassen, bevor sie vielleicht bald wieder aus dem Spielplan verschwinden: „Hänsel und Gretel“, von Reinhard von der Thannens äußerst ästhetisch verpackt (ab Oktober), Barrie Koskys turbulenten „Figaro“, bei dem sich unter anderem eine rekordverdächtige Anzahl von Menschen in ein winziges Zimmerchen quetschen (Mai und Juni), sowie Andreas Homokis wirklich märchenhafte „Die Liebe zu den drei Orangen“ (Januar, Februar).

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