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Berliner Theatertreffen Berlin: Therese Giehse (Mitte) als Pelagea Wlassowa in „Die Mutter“ (Theaterstück von Bertolt Brecht nach Maxim Gorki).

© picture alliance/Sammlung Richter / picture alliance/Sammlung Richter

Dem Theatermacher Frank-Patrick Steckel zum 80. Geburtstag: Matador mit zartem Kern

Ein Bühnenleben: Er entdeckte den Dramatiker Hans Henny Jahnn wieder, inszenierte Barlach, übersetzte Shakespeare und leitete das Bochumer Theater.

Er gehört zum Urgestein deutschsprachiger Theatermatadore, die vor gut einem halben Jahrhundert den entschiedenen Bruch suchten mit jenem Nachkriegsschauspiel, dessen Protagonisten zumeist schon vor 1945 tonangebend waren.

Den Bruch mit hochfahrenden rhetorischen Gebärden, entpolitisierten Klassikern und selbstbezüglichen Dekorationen hatten in Ost und West bis dahin nur zurückgekehrte Emigranten wie Bert Brecht, Fritz Kortner und der junge, gleichfalls im Exil aufgewachsene Peter Zadek vollzogen. Bis die Jüngeren kamen, Regisseure wie Peter Stein, Claus Peymann, Hans Neuenfels, Jürgen Flimm – oder Frank-Patrick Steckel.

Der gebürtige Hamburger, der seit langem in Berlin lebt, hatte schon in den 1960ern rebellisches Studententheater als Peymann-Assistent gemacht. Mit Peter Stein begründete er 1970 die schnell zu Ruhm gelangende Schaubühne am Halleschen Ufer.

Frank-Patrick Steckel, der am heutigen Freitag 80 Jahre alt wird, war als Assistent, dramaturgischer Begleiter und auch Co-Regisseur gleich bei Peter Steins Schaubühnen-Start mit Brecht/Gorkis „Mutter“ (gespielt von der großen Therese Giehse) dabei und wurde mit seiner eigenen Inszenierung von Heiner Müllers „Lohndrücker“ schon 1975 das erste Mal zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Frank-Patrick Steckel.
Frank-Patrick Steckel.

© privat

So war der hünenhafte hanseatische Berliner schnell ein Schwergewicht der Szene. Einer seiner Lieblingsschauspieler aus Schaubühnen-Tagen an war Wolf Redl, ein gedrungener, eher stiller Charakterkopf. Mit ihm besetzte er die Titelrollen in Ernst Barlachs „Blauem Boll“ 1981 an der Schaubühne und davor schon Ende 1978 in Bremen den mörderischen König in Hans Henny Jahnns „Die Krönung Richard III.“ So unterschiedlich Barlachs melancholische Komödie und Jahnns tiefschwarze Tragödie: Steckel und Redl führten extreme Charaktere ohne Dröhnen, ohne Bombast, im Kern fast zart vor.

Den von Gewaltfantasien, blutigen Liebesszenen wie ein glühendes Eis speiender Vulkan schreibenden, von hoch expressionistischem Pathos erfüllten Dichter und Dramatiker Hans Henny Jahnn (1894–1959) hatte Steckel überhaupt wiederentdeckt. Und weil die Welt bei Jahnn einem Schlachthaus gleicht, war Steckel damals als Bremer Oberspielleiter mit seiner Inszenierung in die Halle des ehemaligen Schlachthofs gezogen.

So war er auch einer der frühen Raumtheatermacher, der selbst dort allerdings das Pathos eher dämpfte. Steckel ist ein rationaler, intellektueller Künstler. Mit dem Hang zu den schweren, auch schwerblütigen Stoffen. Pendelnd zwischen Heiner Müller und Shakespeare.

Als Intendant und Peymann-Nachfolger von 1986 bis 95 in Bochum bot er mehr Tragik als Komik, brachte freilich die gleichfalls eher schwarzhumorige Andrea Breth auch dazu, eine fulminante Farce von Alan Ayckbourne zu inszenieren.

Und: Frank-Patrick Steckel ist der Übersetzer von 15 Shakespeare-Stücken. Der berühmte „Hamlet“-Vers heißt bei ihm „Dasein oder nicht sein“, und das „da“ macht hier klar, dass es um Leben oder Sterben geht und nicht um eine heideggersch-philosophische „Sein“-Frage. So bleibe er auch da, als Jubilar!

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