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Kultur: Der Einheitsstifter

Zum 60. Geburtstag des Berliner Theologen Richard Schröder

Melioration heißt Bodenverbesserung, Urbarmachung, Kultivierung. Gebrauchen wir den Begriff im übertragenen Sinne, also beispielsweise gewendet auf das Feld der deutschen Einheit, so sind wir bei Richard Schröder. Kaum ein anderer hat sich so wie dieser Theologe und Publizist darum bemüht, den Boden abzusichern, auf dem die Deutschen nach dem Ende der Teilung stehen, seine Verwerfungen zu glätten und ihn für ihr gemeinsames Lebens zu rekultivieren. Sein Beitrag zur Erhellung der neuen, unerwarteten Situation, zur Entwirrung des ost-westlichen Erwartungs- und Enttäuschungs-Knäuels, zur Ordnung der Gedanken und zur Ermutigung der Gemüter ist beträchtlich.

Wie erreicht er diese Wirkung? Schröder macht die Dinge nicht kompliziert, sondern einfach, freilich ohne sie zu vereinfachen. Er hat die Fähigkeit, auch Schwierigesso darzustellen, dass er der Sache, um die es geht, nichts schuldig bleibt und sich seine Ausführungen dem Leser und Hörer dennoch erschließen. Selbst für die notorischen Selbstpeinigungs-Fragen – Identität, Nation, Vergangenheit – vermag er das lösende Wort oder den entwaffnenden Gedanken zu finden: Wer, wie Schröder, die deutsche Nation als „nichts Besonderes, wohl aber etwas Bestimmtes“ bezeichnet, vertreibt viel ideologischen Qualm und macht es möglich, von ihr in positivem Sinne zu sprechen.

Als Schröder am Horizont der deutschen Öffentlichkeit auftauchte – 1990 als SPDFraktionsvorsitzender in der Volkskammer –, war die Verblüffung groß. Da war ein Ostdeutscher, sozialisiert in der kirchlichen Sonderkultur, der auf der Höhe der politischen Debatte stand und sie zugleich bereicherte und voranbrachte. Bald wurde er für wichtige Aufgabe interessant – auch als Bundespräsidenten konnten ihn sich viele1994 vorstellen. Ist es ein Verlust für die Politik, dass es für Schröder bei der 1991 übernommenen Professur an der Humboldt Universität blieb, dazu bei ehrenvollen Ämtern und Auftritten überall? Man darf die Frage offen lassen. Jedenfalls haben Hörer und Leser einen Vorteil davon – nicht zuletzt der Tagespiegel, dem er seit langem als Kolumnist verbunden ist. Am 26. Dezember wird Richard Schröder 60 Jahre alt.

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