Kultur: Der europäische Gringo So blickt die Welt auf Deutschland
Der Deutschkurs, an dem eine kleine Gruppe niederländischer Journalisten vor kurzem teilnahm, enthielt jeden Tag ein heiteres und doch lehrreiches Element: gemeinsam singen – auf Deutsch. Das war nicht nur eine angenehme Abwechslung angesichts schwerer Wörter und grammatikalischer Subtilitäten.
Der Deutschkurs, an dem eine kleine Gruppe niederländischer Journalisten vor kurzem teilnahm, enthielt jeden Tag ein heiteres und doch lehrreiches Element: gemeinsam singen – auf Deutsch. Das war nicht nur eine angenehme Abwechslung angesichts schwerer Wörter und grammatikalischer Subtilitäten. Es war auch eine (teils erneute) Begegnung mit einigen Höhe- und Tiefpunkten deutscher Popmusik.
Besonders gut ließ sich das ironisch-patriotische Lied „Deutschland“ der Leipziger „Prinzen“ aus vollem Halse mitsingen. Nicht nur Sätze wie ,,Natürlich hat ein Deutscher ,Wetten, dass..?’ erfunden“, sondern auch den Refrain: „Das alles ist Deutschland / Das alles sind wir“, gefolgt von einem deftigen „Deutsch! Deutsch! Deutsch! Deutsch!“. Niemand von uns Niederländern war durch diesen Text peinlich berührt. Auch nicht diejenigen, die für Zeitungen schreiben, die im Zweiten Weltkrieg im Widerstand gegen den deutschen Besatzer gegründet worden sind. Jeder sang mit. Jeder würdigte den deutschen Selbstspott.
Lang war ein so entspannter Umgang mit einem Thema wie deutschem Nationalismus für die meisten Niederländer völlig undenkbar. Aber vieles hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Das Deutschlandbild, das noch zu Beginn der 90er Jahre sehr negativ war, hat sich wesentlich verbessert.
Eine vergleichbare Entwicklung hat in vielen anderen Ländern stattgefunden, kann man dem interessanten Buch „So sieht uns die Welt“ entnehmen. In Frankreich nimmt die Bundeswehr an der traditionellen Parade zum 14. Juli teil – und niemand beschwert sich. In Polen hat man einen Außenminister, der sagt, er fürchte deutsche Macht weniger als deutsche Untätigkeit. Und in Israel gilt Deutschland, ausgerechnet Deutschland, als der beste Freund in Europa. Deutschland ist laut einer BBC-Umfrage, das „beliebtestes Land der Welt“.
Hanni Hüsch, Leiterin der Abteilung Ausland und Aktuelles beim NDR und ehemalige ARD-Korrespondentin in London, Berlin und Washington, bringt 15 Auslandskorrespondenten zusammen, die, jeder aus seinem Gastland, berichten, wie man wohl über Deutschland und die Deutschen denkt. Die Korrespondenten sprechen mit Politikern, Historikern und Soziologen und mit Menschen aus vollkommen unterschiedlichen Gesellschaftsschichten.
Der Ertrag ist ein faszinierendes Mosaik von Meinungen und Ansichten. Die sind nicht immer tiefgründig, sondern illustrieren zusammen, dass Deutschland im Großen und Ganzen viel Wohlwollen entgegengebracht wird. Das Land besitzt ein großes Arsenal „weicher Macht“ („Soft Power“), dank der international bekannten und beliebten Automarken und Fußballklubs, der starken Wirtschaft, Berlin als „coolster Stadt der Welt“, der Kanzlerin und natürlich auch dank dem Goethe-Institut und dem Bier.
Aber nicht alles ist sonnig. Während viel historisch geprägte Bitterkeit gegenüber Deutschland überwunden worden ist, finden viele im Süden Europas neue Anlässe, Deutschland Vorwürfe zu machen, es zu fürchten oder sogar zu verwünschen. Die Euro-Krise hat Deutschland als mächtigstem Land Europas neue Bewunderer gegeben (zum Beispiel die Briten und die nordischen Länder), aber auch neue Kritiker und Gegner.
Erbitterte Griechen und Zyprioten, die Frau Merkel in Nazi-Uniform darstellen, ziehen einen absurden Vergleich. Aber ihre Enttäuschung, Wut und Verzweiflung sind aufrecht. So beginnt die Krise, die deutschen Beziehungen mit manchen Ländern zu vergiften. Deutschland und der Rest des reichen Nordens werden für den armen Süden, schreibt der Spanienkorrespondent der „SZ“ Sebastian Schoepp, etwa was die USA für Mexiko sind: ,,der europäische Gringo, bei dem man sein Geld verdient und dessen Dominanz man zu ertragen hat“.
Nicht viele Griechen, Spanier oder Italiener werden darüber muntere Lieder singen, geschweige denn „das alles ist Deutschland, das alles sind wir“. Juurd Eijsvoogel
Der Autor ist Senior Editor for International Relations beim niederländischen „NRC Handelsblad“ und war zwei Monate Gastredakteur beim Tagesspiegel.
– Hanni Hüsch (Hg.): So sieht uns die Welt. Ansichten über Deutschland.
Westend-Verlag,
Frankfurt am Main 2013. 255 Seiten, 17,99 Euro.
Juurd Eijsvoogel