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Echt Halloween: Heino am Freitagabend im Nikolaisaal Potsdam.

© Andreas Klaer PNN/Andreas Klaer

Der ewige Volksmusiker Heino in Potsdam: Nationales Kulturgut muss gepflegt werden

„Made in Germany“: Heino spielte im Potsdamer Nikolaisaal vor einer riesigen Deutschlandfahne seine größten Hits wie „Alte Kameraden“ oder „Karamba, Karacho, ein Whisky“.

Von Oliver Köhler

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Heino gilt als Ikone der Volksmusik und sammelte in den siebzig Jahren seiner Karriere goldene Schallplatten wie Nachbarskinder Bonbons zu Halloween - mittlerweile mischt er Wacken genauso auf wie den Ballermann. Am Freitagabend spielte der 86-Jährige im Potsdamer Nikolaisaal seine größten Hits unter dem Tourmotto „Made in Germany“: Die Abschiedstour eines Rastlosen ist das jedoch nicht.

„Deutschlands letzter Punk“?

„Deutschlands letzter Punk“ stand auf den Plakaten zur „Made in Germany“-Tour von Heino, und billiger hätte die Provokation gar nicht ausfallen können. Was? Punk? Okay, sicherlich eine Referenz an die Aussage von Dead-Kennedys-Frontmann Jello Biafra, der sich mehrfach als Heino-Fan outete – dessen Platten aber aufgrund ihrer „Grausamkeit“ sammelte, um sie für die eigenen Punkshows als Intro zu verwenden. Musikalisch ist Heino jedenfalls von Punk so weit weg wie der Ballermann von der Elbphilharmonie.

Heino spulte nämlich vor einer gigantischen Deutschlandfahne, deren Bundesadler mit Sonnenbrille, Perücke und Mikrofon verziert war, erst mal ein gemütliches Potpourri aus Heimatliedern herunter - über „Alte Kameraden“ und „Karamba, Karacho, ein Whisky“ bis zu „Die Schwarze Barbara“. Band oder Orchester brauchte er nicht, nur die beiden Backgroundsängerinnen Angy und Gaby. Dabei singt Heino so beeindruckend homofon, dass sein Gesang vom Playback nicht mehr zu unterscheiden ist. Es freue ihn, dass alle so gut mitsingen können, strahlte er sein zahnflächig-zeitloses Heinogrinsen. Er selbst benutze einen Teleprompter: „Man kann ja mit 87 auch mal was vergessen.“ 

Ja, klar. Aber sobald sich die anwesenden Die-Hard-Fans im Takt durchs Programm klatschten, tauchte das rhythmische Zucken auch in den eigenen Ellbogen auf. Sakrament, da kennt man ja jeden Song! Heino ist eben auch außerhalb jedweder Schwärmerei nationales Kulturgut. „Heidi-Heido-Heida!“ bumsfallerate sich inzwischen ein mächtig gut gelauntes Publikum in gemütlichen Sesseln klatschsicher durch den Abend. Heino strahlte dazu, die Arme ausgebreitet: „Hossa! Hossa!“ Olé, wieder ein Song über Schnaps.

Demnächst dann im „Bierkönig“

Aber es gibt eben auch Songs über Prostituierte: Coversongs des Puffmutter-Partyschlagers „Layla“ vom 2023er-Album „Lieder meiner Heimat“ ebenso wie den 80er-Hit „Skandal im Sperrbezirk“ (und am Merchandise lustige Shirts mit dem Aufdruck „N*tten, Koks und frische Erdbeeren“). Nun gut, auf diesem Album hat sich der Barde halt ein bisschen ausgetobt, irgendwie muss der kommerzielle Anschluss zu schaffen sein. Klappt ja auch: Demnächst sollen wieder einige Konzerte im Palmenser „Bierkönig“ stattfinden.

Ob er das will? Diese Dichotomie zwischen kommerziellem Erfolg und dem Abfeiern uralter Volkslieder scheint vor allem Heinos Manager und Alleinerben Helmut Werner zu verunsichern. Werner stellt sich an diesem Abend gleich zweimal schützend vor den Sänger: Um vor der Lokalpresse zu warnen, die Lieder wie „Lustig ist das Zigeunerleben“ nur zu weiteren Rassismusdebatten aufbauschen würde. Und um darauf hinzuweisen, dass die Kinder und Enkelkinder den Bezug zur Volksmusik verloren hätten. Dabei gehört das biedere Geschunkel mit zum Spaß beim Hören von Heino. Oder wie er selbst sagt: „Seemannslieder wird man immer hören, auch wenn Rock, Hip-Hop, Metal oder wie das alles heißt, längst vergessen sind!“ Dahinter lauert leise atmend die Angst, selbst vergessen zu werden.

Heino macht das nun alles schon seit Jahrzehnten. Aber diese gruselige Zuspitzung auf deutsches Heimatempfinden verwandelt den bekennenden Konservativen und Wahl-Österreicher letztlich doch zu einer zombiesk-bemitleidenswerten Figur. Schließlich schwappt dieser ganze Neopatriotismus auch noch nasskalt über die heimelige Gemütlichkeit des Konzertabends. Etwas weniger schwarzrotgoldene Exklusivität hätte dieser ganzen Heimattümelei gutgetan. Draußen ist es kalt, drinnen stehen alle zur dritten Strophe der Deutschen Nationalhymne auf, manche mit ihren mitgebrachten Fähnchen, und der blonde Barde umarmt schmetternd die Gemeinschaft. Man ist eben doch lieber unter sich.

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