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Olympische Spiele 2008: Deutscher Architekt faltet Röhre

Es ist eines der kompliziertesten Gebäude, die je gebaut worden sind. Bis zu den Olympischen Spielen 2008 soll der Tower des chinesischen Staatsfernsehens CCTV in Peking zumindest von außen fertig sein. Der deutsche Architekt Ole Scheeren hat die Konstruktion mitentwickelt.

Peking - Seit fünf Jahren leitet der erst 36-Jährige Ole Scheeren vor Ort den Bau der neuen Fernsehzentrale, in der einmal 10.000 Menschen arbeiten sollen. "Es gibt kein vergleichbares Objekt", sagt Scheeren. "Das statische System wäre wahrscheinlich fünf bis zehn Jahre vor Beginn gar nicht realisierbar gewesen, weil einfach die Computer-Analyse-Methoden nicht weit genug entwickelt waren."

Auf der Baustelle im Zentralen Geschäftsbezirk (CBD) im Osten der chinesischen Hauptstadt steigen zwei am Fuße über Eck verbundene L-förmige Türme schräge in die Höhe. In 160 Meter Höhe werden sie über eine 70 Meter hohe Auskragung vereint. Die schiefe, halbfertige Konstruktion scheint bedrohlich zu kippen. "Die Hauptstruktur ist die Außenhaut, die um das Gebäude herum die Kräfte abträgt", erläutert Scheeren in seinem Büro im Pekinger Soho-Komplex an einem Modell. "Es ist wie ein Käfig oder eine Röhre, die im Raum gefaltet ist." Die unregelmäßige Außenkonstruktion reflektiere den Kräftefluss. "Das Gebäude hält sich durch die Statik der Röhre."

Peking gilt als Erdbebengebiet

Eigentlich bricht die neue CCTV-Zentrale alle Bauvorschriften. Als Erdbebengebiet stellt Peking "besondere Anforderungen". Die 13 erfahrensten Statiker Chinas haben ein Jahr lang mit Ingenieuren und Computerprogrammen die Pläne geprüft und schließlich genehmigt. Grünes Licht kam von ganz oben in der politischen Führung. Dennoch wurde das Prestigeprojekt 2004 erneut auf den Prüfstand gestellt, als nach dem Generationswechsel zu Staats- und Parteichef Hu Jintao viele extravagante Olympia-Bauten gekürzt wurden. Der CCTV-Tower durfte am Ende unverändert weitergebaut werden, wird jetzt bis 2008 aber innen nicht mehr fertig. Bis Olympia wird allerdings der Bau des daneben angeschlossenen, 159 Meter hohen TV-Kulturzentrums (TVCC) rechtzeitig abgeschlossen. Es dient während der Spiele schon als Sendezentrale für die anreisenden ausländische Fernsehstationen.

Der in Karlsruhe aufgewachsene Scheeren hat eine steile Karriere zum Partner im Rotterdamer Office For Metropolitan Architecture (OMA) gemacht. In Peking, wo er sich nebenbei ums Asiengeschäft kümmert, leitet er ein Team von 60 Architekten und 120 Ingenieuren. "Eine Frage von Wissen oder Erfahrung spielt hier nicht die gleiche Rolle wie anderswo", sagt der 36-Jährige unter Anspielung auf sein junges Alter. "Selbst wenn du viel Erfahrung hast, kannst du die nur zu Bruchteilen hier anwenden, weil sich alles so schnell verändert", sagt Scheeren. "Die Flexibilität, die auf der einen Seite da ist, heißt natürlich auch, dass alles, was einmal erreicht wurde, sofort wieder in Frage gestellt werden kann." Das erfordere viel mehr Aufwand und Standfestigkeit als normalerweise nötig.

Einmaliger "Hunger und Willen" Chinas

Ständig müssten neue Strategien erdacht werden, um die nötige Komplexität zu erreichen, "die bisher nicht einmal in hoch entwickelten Ländern dieser Welt verwirklicht worden ist". Es gebe in China einen einmaligen "Hunger und Willen". Woanders wäre der Tower wahrscheinlich nicht entstanden, sagt Scheeren. Selbst in China würde das Projekt heute eventuell nicht mehr so gebaut werden können. Die Entscheidung sei 2002 in einem "historischen Moment" gefallen. Damals war China gerade der Welthandelsorganisation (WTO) beigetreten und "auf dem Weg, eine der Hauptrollen im Weltgeschehen zu spielen". Mit den Olympischen Spielen 2008 habe es ein festes Ziel gegeben und eine "totale Euphorie, die eine Reihe von Entwicklungen ausgelöst hat." (Von Andreas Landwehr, dpa)

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