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Der finnische Dirigent wurde 2000 geboren.

© Foto: Peter Rigaud

Deutsches Symphonie-Orchester: Jugend, forsch

Tarmo Peltokoski ist mit 22 Jahren schon ein umworbener Dirigent. Selbstbewusst gab er jetzt sein Debüt beim Berliner DSO in der Philharmonie

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Ein junger Dirigent erkrankt, ein noch jüngerer springt für ihn beim Deutschen Symphonie-Orchester ein: Tarmo Peltokoski ist gerade 22 Jahre alt und international schon heiß umworben. Ob in Bremen, Rotterdam oder Lettland – Orchester wollen nicht nur mal kurz zur Abwechslung mit ihm musizieren, sie wollen sich auch eine künstlerische Zukunft mit dem jungen Finnen aufbauen. Über mangelndes Vertrauen in seine Fähigkeiten kann sich Peltokoski nicht beklagen, und das spürt man bei seinem Debüt in der Philharmonie.

Die erste Konzerthälfte mit Kodálys „Tänzen aus Galánta“ und Liszts „Totentanz“ übernimmt er wie ursprünglich geplant. Gestenreich macht er sich ans Werk und verschiebt dabei den Schwerpunkt seiner Körperachse auf überraschende Weise, während er sich in einer eruptivem Bewegung zugleich auf die Musiker:innen zu und von ihnen weg bewegt. Eruption ist auch ein Schlüssel für Kodálys Tänze, deren ungarische Provenienz allein in den vertrackten Rhythmusschiebungen aufleuchtet. Für jegliches Flair oder gar Sentiment aber steht Peltokoski zu sehr unter Dampf.

Wie man die Position des Mittelstürmers eleganter ausfüllt, zeigt Martin Helmchen in Liszts „Totentanz“ für Klavier und Orchester: Seine feine Brillanz leuchtet selbst durch die an dicksten aufgetragenen „Dies irae“-Schichten dieses kompositorisch wenig subtilen Überwältigungsversuchs. Wie um ein verrutschtes Liszt-Bild geradezurücken, spielt Helmchen als Zugabe ein wunderbar zartes Wasserfunkeln aus den „Années de pélerinage“.

Nach der Pause liegen auf Wunsch des Dirigenten die Noten von Schostakowitschs Fünfter auf den Pulten, Peltokoski dirigiert frei und furios: Er fordert Energie und er bekommt sie auch. Die Verbindung zum Orchester steht und lässt auch Unerhörtes zu wie am Ende des ersten Satzes, wenn im Wispern der Streicher plötzlich die Stimmen eines imaginären Chors aufschimmern. Ein magischer Moment inmitten von Verwüstung und Kälte. Dass es hier keinen Jubel, keinen Gewinner geben kann, daran lässt Peltokoski keinen Zweifel. Verstörend wirkt allerdings, wie selbstverständlich er die Tore zur musikalischen Apokalypse öffnet. So wird der Horror zu einer Tonart unter vielen.

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