zum Hauptinhalt

Die Guerrilla Girls mischen Hamburg auf: In 150 Jahren wird alles besser sein

Das Museum für Kunst und Gewerbe nimmt den Ankauf des Gesamtwerks der New Yorker Guerrilla Girls zum Anlass, seine Grafikbestände auf Geschlechterparität hin zu überprüfen.

Von
  • Nicole Büsing
  • Heiko Klaas

Stand:

Was haben Eva Hesse, Frida Kahlo und Georgia O’Keeffe gemeinsam, abgesehen davon, dass sie zu den wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts gehören? Neben etlichen anderen Namen verstorbener Künstlerinnen benutzt die New Yorker Aktivistinnengruppe Guerrilla Girls auch diese drei als Pseudonyme, um die Anonymität ihrer Mitglieder zu garantieren.

Und so trat anlässlich der Ausstellung „The F*word – Guerrilla Girls und feministisches Grafikdesign“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe eine frisch aus New York eingeflogene Frida Kahlo v zur Eröffnung auf, um Einblick in die Entstehungsgeschichte des Kollektivs zu geben. Ihr Gesicht hatte sie mit einer zotteligen Gorillamaske bedeckt, denn Guerrilla Girls zeigen niemals ihr wahres Gesicht.

Gegründet 1985, als das Museum of Modern Art in einer Überblicksschau mit den angeblich 165 wichtigsten Künstler:innen der Welt nur 13 Frauen zeigte, begann die zunächst nur aus sieben Mitgliedern bestehende Gruppe auf ebenso provokante wie auch humorvolle Art und Weise auf Sexismus und die Ausgrenzung von Frauen im Kunstbetrieb aufmerksam zu machen. Bald darauf rückte auch die Marginalisierung anderer Gruppen in den Fokus.

Frida Kahlo erinnert sich: „Wir haben uns Kritiker, Kuratoren, Künstler, Galerien und alles drumherum angeschaut und festgestellt, dass das weiße männliche Paradigma überall im Kunstbetrieb vorherrschend war. Also haben wir uns entschlossen, das mal öffentlich zu machen. Damals haben einfach alle gedacht, dass die Kunst den Männern gehören würde.“

Gerechte Wut. Plakat der Guerrilla Girls.

© Guerrilla Girls

Soziale Netzwerke gab es 1985 noch nicht, und so wählte die Gruppe ein Medium, das an jeder Ecke präsent war: das Plakat. „Die Straßen waren ein Freiraum, außerdem war es billig. Schauen Sie sich die ersten Poster, die wir gemacht haben, an. Die sind noch nicht mal gedruckt. Wir haben Klebebuchstaben benutzt. Alles war frei. Wir haben sehr schnell die Aufmerksamkeit der Leute bekommen. Und wir mussten keinerlei Genehmigungen einholen. Es gab keine Filter auf der Straße.“

Mit der HIV-Krise, der Black Lives Matter-Bewegung und der LGBTQIA+-Awareness hat sich der Blick der Gruppe bis heute beständig erweitert: „Die Reaktionen haben uns damals schnell gezeigt, dass es nicht nur um Frauen, sondern auch farbige Künstler:innen, eigentlich um jeden ging, der kein heterosexueller weißer Mann war. Also haben wir uns diesen vielen unterschiedlichen Aspekten in der Kunstwelt zugewandt“, so Frida Kahlo.

Im zentralen Raum der sehenswerten Hamburger Ausstellung sind zahlreiche Plakate der Guerrilla Girls aus verschiedenen Jahrzehnten zu sehen. Ihre statistischen Erhebungen verdeutlichen, dass im Ausstellungsbetrieb der männliche Anteil dominiert, Galerien überwiegend mit Männern zusammenarbeiten und Kritiker:innen häufiger Ausstellungen von Männern als von Frauen besprechen.

„Müssen Frauen nackt sein, um ins Metropolitan Museum zu kommen?“ Plakat der Guerrilla Girls von 1989.

© Guerrilla Girls

Auch für das Museum für Kunst und Gewerbe haben die Guerrilla Girls ein stimmiges Bild gefunden. An der Fassade prangt ein riesiges Banner mit einem Franzbrötchen darauf, einem für Hamburg typisches Gebäck. Ein abgebrochener Krümel repräsentiert die 1,5 Prozent Frauen, die zur Zeit in der Grafik- und Plakate-Sammlung des Museums vertreten sind. Deren Abteilungsleiterin Julia Mee war selbst erschrocken, als diese statistische Erhebung abgeschlossen war. Sie bedauert, dass das Museum so wenig von Frauen gesammelt hat und will dies in Zukunft ändern: „Zu jeder Zeit gab es Gestalterinnen, die wahnsinnig gute Arbeit geleistet haben.“

Meers erste Ausstellung am Haus versammelt rund 500 Arbeiten von Gestalterinnen aus der Zeit von 1870 bis heute aus dem eigenen Bestand: darunter Plakate für Theater, Film, Politik und Protest, Buch- und Magazincover, Collagen, Werbeanzeigen und vieles mehr. Die Ausstellungsgrafik sowie eine zusätzliche Schau zu Schriftgestalterinnen stammt vom Berlinier Designbüro Rimini, einem interdisziplinären Netzwerk, das auf den kulturellen Bereich spezialisiert ist.

Aus einem Open Call erhielt das Museum rund 200 Einsendungen von feministischen -zines, Kleinstmagazinen also, die von Frauen produziert werden. Die Themen sind vielfältig: Menstruation und politischer Protest, Hausfrauendilemma und lesbische Liebe. Alle -zines bleiben im Museum und werden Teil der Grafiksammlung, denn jetzt ist der Aufbau eines neuen Schwerpunkts mit queer-feministischem Grafikdesign geplant. Julia Meer hat ausgerechnet, wann das Verhältnis von Männern und Frauen in ihrer Abteilung ausgeglichen sein könnte: „Wenn wir im gleichen Tempo weitersammeln, wird es 150 Jahre dauern.“ Immerhin ist mit der Ausstellung ein Anfang gemacht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })