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Kultur: Die Musik nach dem letzten Takt Abbados Triumph bei den Berliner Philharmonikern

Dieses Pianissimo! Das macht ihm keiner nach.

Dieses Pianissimo! Das macht ihm keiner nach. Ihm – mit den Berliner Philharmonikern. Wo endet der Klang, wo fängt die unerhörte Stille an? Die Stille nach dem äußersten Diminuendo, morendo, die der Maestro mit seiner Körpersprache festhält, um den Nachklang des ganzen Werkes verweilend zu feiern. Es dauert eine kleine gespannte Ewigkeit, bis der Jubel nach der vierten Symphonie von Gustav Mahler in der Philharmonie losbricht.

Claudio Abbado sagt mit seiner Interpretation, dass der Anspruch des Nachhorchens werkimmanent ist. Der Respekt gilt der Partitur. Wenn der frühere Chefdirigent jetzt als Gast zu seinem Orchester zurückkehrt, erwartet jeder ein Fest. Vergessen, dass das nicht immer so war. Abbado erfüllt die Erwartung des Außerordentlichen. Vor die Symphonie hat er die „Sieben frühen Lieder“ von Alban Berg gesetzt. Romantische Lyrik, die in der sicheren Tonalität den Mahler-Verehrer Berg schon auf seiner Zukunftsbahn zeigt. Mit dem Kolorit der Streicherbegleitung erblüht der „süße Schall“ der „Nachtigall“, und die Rosen springen auf in dem zugleich diskreten und fulminanten Gesang Renée Flemings.

Im letzten Satz der Mahler-Symphonie versichert die Sängerin, was ihr jeder glaubt: „Keine Musik ist ja nicht auf Erden, die unsrer verglichen kann werden.“ Nach einer ausformulierten Stille, die keine Zäsur ist, fügt Abbado das Finale dem „gänzlich ersterbend“ endenden Vorsatz unmittelbar an: So klingen die „Wunderhorn“-Strophen wie ein Fazit des eben Erlebten. Überhaupt liegt jenes „unterdrückte Programm“ von der kindlichen, naiven Seele, das Alma Mahler überliefert hat, dieser Aufführung eher fern. Die neue und hintergründige Art des Mahlerschen Scherzos gewinnt eine Nuance dadurch, dass Rainer Sonne kurzfristig den Part des Ersten Konzertmeisters übernommen hat. Er ist kein Teufelsgeiger im Totentanz des gespenstischen Dorfmusikanten, sondern zurückhaltender, feiner Virtuosentyp. Daher dominiert die fahle Farbe seiner nach Art der alten scordatura umgestimmten Violine vor der leidenschaftlichen Verführung.

Das lineare Denken Mahlers, die moderne Polyphonie leuchtet aus allen Stimmen der Streicher und Bläser. Das Schönste ist das Adagio, weil Abbado aus der inneren Konstruktion der Musik das Wunder eines Melodiebogens von 353 Takten gestaltet. So kommt es zu den „himmlischen Freuden“.

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