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Jude Law als erste amerikanischer Papst.

© Photo: Gianni Fiorito

Filmfest Venedig (3): Die Perversionen des Westens

Soldaten, Großwildjäger und ein sexy Papst - Eindrücke vom dritten Tag der Filmfestpiele Venedig.

Männer sind seltsame Wesen, am dritten Tag des Filmfests Venedig denkt man verschärft über sie nach. Die Poliziotti an den Anti- Nizza-Blockaden (wie die Italiener es nennen) vor dem Festivalgelände gucken zwar streng, wenn unsereins im Slalom um die Barrikaden radelt, aber sie grüßen inzwischen freundlich. Die venezianische Freundin wünscht sich angesichts der vielen kurzbehosten Kollegen mit Socken in den Sandalen eine kleidsame Uniform für Journalisten. In Franlois Ozons solidem, sein Sujet etwas brav durchbuchstabierenden Wettbewerbsfilm „Frantz“ möchte ein Soldat seine Erste-Weltkriegs-Schuld sühnen, aber den Kraftakt der Versöhnung mit dem Feind leistet dann doch eine Frau (sehr aufrecht: Paula Beer).

Schließlich gehen die Männer auf Großwildjagd, in Ulrich Seidls Dokumentarfilm „Safari“. Eine Farm in Afrika, Urlauber gehen auf die Pirsch, die Kamera folgt. Die Männer keuchen leise, Schießen ist ein erregender Akt, auch für die Frauen, eine Selbstermächtigung, Potenzbeweis mit der Waffe. Ein Wasserbüffel wird erlegt, ein Gnu, ein Zebra, eine Giraffe, glatter Herzschuss, Waidmannsheil, Waidmannsdank. Hinterher posiert man mit der Beute fürs Foto. Du siehst aus wie Atlas, sagt die Frau, als ihr Gatte sich den schweren Giraffenkopf auf die Schulter wuchtet. In all seinen Filmen fördert der österreichische Regisseur die Perversionen der westlichen Zivilisation zutage. Diesmal arrangiert er die Safari- Touristen mit ihren Trophäen zu Tableaus in Zentralperspektive, stilisiert den sexualisierten Postkolonialismus, den Rassismus, der Unbehagen auslöst, wenn er die Afrikaner genauso inszeniert, wie die Weißen sie sehen, als Domestiken und Menschen niederer Art. Die Schwarzen häuten die Tiere, schneiden die Eingeweide heraus, zersägen die Knochen.

Auch Paolo Sorrentino studiert Männlichkeitsposen und einen pervertierten Machtapparat, den Vatikan. Außer Konkurrenz präsentiert das Festival die ersten beiden Folgen der Sky-Miniserie „The Young Pope“, mit Jude Law als erstem amerikanischen Papst. Eine fromme Lüge, ein Riesenspaß: Der Papst ist sexy, eitel, zynisch, unberechenbar, trägt die roten Prada-Schuhe, die Papst Benedikt angedichtet wurden, bestellt Cherry Coke Zero zum Frühstück, stößt die Kurie vor den Kopf. Auch nach 110 Minuten weiß der Zuschauer noch nicht, ob das fiktive neue Kirchenoberhaupt die Menge auf dem Petersplatz nur deshalb mit erzkonservativen Parolen brüskiert, weil er die korrupte katholische Kirche mit Anarcho- Methoden aufmischen will – die Staffel mit zehn Episoden wird ab Oktober auch in Deutschland ausgestrahlt. Sorrentino, Italiens Spezialist für Dekadenz, zieht herrlich respektlos alle Register, lässt Bischöfe intrigieren, Nonnen kicken und kleidet die Papst-Vertraute Sister Mary (Diane Keaton) in volles Ornat, wahlweise in ein Nacht-Shirt mit der Aufschrift „I’m a virgin, but this is an old shirt“. Man würde es gern als Souvenir mit nach Hause nehmen.

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