Kultur: Die Plastik-Show: Hör auf zu denken!
Douglas Coupland stellte die Diagnose. "Bambifikation", erklärte er in seiner "Generation X", ist "die geistige Umwandlung von Geschöpfen aus Fleisch und Blut in Comicfiguren mit der bürgerlichen Moral und Haltung jüdisch-christlicher Tradition.
Douglas Coupland stellte die Diagnose. "Bambifikation", erklärte er in seiner "Generation X", ist "die geistige Umwandlung von Geschöpfen aus Fleisch und Blut in Comicfiguren mit der bürgerlichen Moral und Haltung jüdisch-christlicher Tradition." So trägt die Produktion der Zürcher Theatergruppe Mass und Fieber den Untertitel "Plastikmenschen schauen dich an". Dass die Plastikwelt mit Simulation und Postmoderne und Wahnwitz zu tun hat, qualifiziert sie zum Sujet postdramatischer Anstrengungen zwischen Theater, Performance und multimedialer Installation par excellence.
Derartige Grenzgänge gestalten sich manchmal so, dass Theaterschaffende synchron in Mikrophone flüstern und man später dem Pressetext entnimmt, einer - sagen wir - Heiner-Müller-Text-Collage beigewohnt zu haben. Mitunter wird auch - laut und deutlich - in sehr freien Assoziationen postmoderner Wort- und Bildermüll reproduziert, und es kommt durchaus vor, dass einen solche Abende wegen der Selbstsicherheit beeindrucken, mit der astreiner Dilettantismus zur Schau gestellt wird.
"Bambifikation" besteht aus einer Folge intellektuell mehr oder weniger erschließbarer "Lektionen", deren Verbindung zum Reh bisweilen eher als weitläufig zu bezeichnen ist. Da wird uns Leben und Werk des "Bambi"-Schöpfers Felix Salten in einem am Schulreferat orientierten Lichtbildervortrag veranschaulicht. Dann trifft Bambi auf die Wiener Hure Josefine Mutzenbacher, die ja ebenfalls der Feder Saltens stammt. Schließlich klären uns die Akteure über die Ursprünge unseres "sadomasochistischen Verhältnisses zur Umwelt" auf, und außerdem wohnen wir unschlagbaren Karaoke-Nummern bei. Aber: "Bambifikation" erschöpft sich weder in eitler Selbstbezüglichkeit, noch drangsaliert es die Zuschauer mit der Suggestion, daß in ihren Köpfen aus dem postmodernen Wort- und Bildermüll eigentlich etwas entstehen müsste. Das Szenario ist vielmehr ein schlichtes Kinderzimmer; und die Akteure zappen sich äußerst lustvoll in die Zeiten zurück, als eine räudige Decke das edelste Indianerkleid und ein Schlittschuh die perfekte Fußprothese abgab. Und da Kinderspiele Gesetzmäßigkeiten folgen, denen mit Logik schwerlich beizukommen ist, sollte man ganz einfach aufhören zu denken. Dann ist "Bambifikation" von einer Anarchie, Konzentration und Kompromisslosigkeit wie nach der Kinderzimmerzeit so ziemlich gar nichts mehr im Leben. Das Allerbeste an Kindern ist ja die Unerbittlichkeit, mit der sie sich die Indianerperücke vom Kopf reißen, sobald das Spiel zäh zu werden droht.Nochmals heute, 20 Uhr.