zum Hauptinhalt

Wagner- und Verdi-Jahr: Die Schlacht des Schicksals

Clubschiffe werden nach ihm benannt und Gas-Pipelines. Verdi ist populärer denn je. In diesem Jahr wird sein 200. Geburtstag gefeiert - pikanterweise wurde sein schärfster Konkurrent Richard Wagner im selben Jahr geboren.

Woran erkennt man die Popularität eines Klassikers? Zum Beispiel daran, wie viele Zitate aus seinem Werk es in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft haben. Spitzenreiter im Phrasendresch-Lexikon deutscher Zunge dürfte da für alle Zeiten der verehrte Weimarer Meister Johann Wolfgang von Goethe bleiben. Jedenfalls solange des Pudels Kern die Welt im Innersten zusammenhält.

Richard Wagner, der zweifellos Schreibwütigste aller Komponisten (Gesammelte Schriften und Dichtungen in zehn Bänden), wohnte einst ebenfalls im Olymp der viel Zitierten. Heute ist von diesem Glanz nurmehr „mein lieber Schwan“ im kollektiven Bewusstsein übrig geblieben. Im Jahr 2013, da allenthalben der 200. Geburtstag des Musikdramatikers gefeiert wird, kursieren seine schwergängigen Stabreime und vollmundigen Verse fast nur noch in Fachkreisen. Selbst bildungsbürgerlich geprägte Mütter greifen mittlerweile selten zur „Lohengrin“-Sentenz „Elsa, mit wem verkehrst du da?!“, wenn sie ihren Unmut über die One-Night-Stands des Fräulein Tochter zum Ausdruck bringen wollen.

Giuseppe Verdi wiederum, der im selben Jahr wie sein teutonischer Tonsetzer-Konkurrent das Licht der Welt erblickte, war lange mit Vers-Fetzen à la „Oh, wie so trügerisch sind Weiberherzen“ oder „Sie hat mich nie geliebt“, mit „Flieg, Gedanke“, „Als Sieger kehre heim“ oder auch „Auf, schlürfet in durstigen Zügen“ im Diskurs der Halbgebildeten präsent. Seit es sich allerdings durchgesetzt hat, fremdsprachige Opern selbst an den kleinsten Bühnen im Original zu singen, sind solcherlei Husarenstücke des pragmatischen Übersetzerhandwerks leider in Vergessenheit geraten.

Dafür wird dem Italiener heute in Deutschland auf überraschende Weise gehuldigt. Zum Beispiel dadurch, dass sich eine Gewerkschaft seines Namens bedient. Dabei verstand sich Verdi gar nicht als Dienstleister. Im Gegenteil: Der Beifall des Publikums, pflegte er zu sagen, soll mich zu nichts verpflichten! Ziemlich populär sind Klubschiffe geworden, die wie die Oper „Aida“ heißen, obwohl sie nie auf dem Nil kreuzen. 2013 soll mit dem Bau der Nabucco-Gaspipeline von der Türkei nach Österreich begonnen werden, auch wenn Nabucco/Nebukadnezar eigentlich aus Mesopotamien stammt.

Und in Berlin dürfte es jetzt bald zur Gründung eines Gremiums kommen, das sich nach Verdis opus ultimum benennt: nämlich F.A.L.STA.F-F, die Forschungsstelle zur Aufarbeitung leichtfertiger Staatsopern- und Flughafen-Fehleinschätzungen.

Zur Startseite