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Größter Stilist unter den Verdi-Interpreten. Carlo Bergonzi.

© dpa/Picture-Alliance

Dem Tenor Carlo Bergonzi zum 90.: Die Schönheit feiern

Edelmann unter den Tenören: Der italienische Sänger Carlo Bergonzi wird 90.

Es war ein Karrierestart mit Netz und doppeltem Boden. Wäre die Sache mit dem Gesang schiefgegangen, Carlo Bergonzi hätte jederzeit in seinen ehrenwerten ersten Beruf zurückkehren können. Denn Casari, Käsemacher, werden in seiner Heimatregion Parma immer gebraucht. Zwar bildete ihn sein Lehrer Ettore Campogalliani fälschlicherweise zum Bariton aus, doch nach drei mäßig verlaufenen Spielzeiten an kleineren italienischen Theatern kam Bergonzi selber darauf, dass ihn die Natur mit einer Tenorstimme gesegnet hatte, schulte um – und wurde zum Weltstar.

1953 konnte er in London sowie an der Mailänder Scala debütieren, 16 Jahre lang, von 1956 bis 1972, sang er jede Saison an der New Yorker Metropolitan Opera, 16 Sommer hintereinander war er auch in der Arena di Verona präsent. Die großen Opernhäuser rissen sich um ihn – nur in Parma wurde er ausgebuht, als er die Radames-Arie in „Aida“ nicht mit einem geschmetterten hohen B beendete, wie es das Publikum erwartete, sondern mit einem zarten Piano-Spitzenton, so wie Giuseppe Verdi es in der Partitur vorschreibt.

Dass er sich nie wieder nach Parma engagieren ließ, war Carlo Bergonzi seinem Ruf als größter Stilist unter den Verdi-Sängern schuldig. Seine Auftritte waren stets Feierstunden des Schöngesangs. Denn Belcanto bedeutete für ihn, ausströmende Atemluft in Kunst zu verwandeln, in perfekt modellierte melodische Linien. Als Erster hat er eine Gesamtaufnahme der 31 Tenor-Arien aus allen 26 Opern Verdis für die Schallplatte aufgenommen, bei seinen Operneinspielungen unter Karajan, Solti oder Schippers ist ein emotional engagierter Sänger zu hören, der sich aber nie von seiner Leidenschaft (oder Eitelkeit) dazu hinreißen lässt, die natürlichen Grenzen seiner Stimme zu überschreiten. Das macht ihn vor allem zum Meister der geschmeidigen Kantilene, der makellos ausgeführten Schwelltöne, der geschmackssicheren Phrasierung, kurz, zum Edelmann unter den Tenören. Bergonzi schafft Kunstfiguren von vollendeter Eleganz, dient Verdis Musik, indem er sie so edel, so wertvoll wie möglich darbietet.

Dank seiner meisterlichen Beherrschung der Stimmtechnik konnte Carlo Bergonzi den eigenen Ansprüchen vier lange Jahrzehnte genügen. Noch 1987 sang er in New York den Jungspund Nemorino in Donizettis „Liebestrank“, als 65-Jähriger verblüffte er selbst Gesangspezialisten wie Jens Malte Fischer mit seinem intakten Material. 1993 beendete der Italiener offiziell seine Bühnenkarriere, gab aber bis zur Jahrtausendwende noch Konzerte. Heute feiert er seinen 90. Geburtstag, wahrscheinlich im Hotel „I due foscari“, das er selber in den Sechigern in Verdis Geburtsort Busseto in einem alten Palazzo eröffnet hat und das sein Sohn betreibt.

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