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Shirley Manson, die Sängerin der Band Garbage, bei einem Auftritt.

© picture alliance / dpa

Album „No Gods No Masters“ von Garbage: „Die Übersexualisierung ist furchteinflößend“

Garbage sind auf „No Gods No Masters“ politischer denn je. Sängerin Shirley Manson über die Zukunft des Feminismus und das Geheimnis der Bandbiografie.

Stand:

Shirley Manson ist Sängerin der US-Rockgruppe Garbage aus Madison/Wisconsin. 1993 gegründet, verkaufte die Band bisher über 17 Millionen Alben. Das siebte Werk „No Gods No Masters“ (Stunvolume/BMG) erscheint am 11.06.

Frau Manson, Sie wurden nach Ihrer Tante Shirley benannt, die ihren Namen wiederum dem für die viktorianische Zeit sehr fortschrittlichen Charlotte-Brontë-Roman gleichen Namens verdankt. Mögen Sie die Werke der Brontë-Schwestern?
Ich liebe es, diesen Namen zu tragen und könnte damit nicht zufriedener sein. Ich mag die Brontë-Schwestern alle sehr, nicht nur Charlotte, und habe viel von ihnen gelesen. Mich begeistern aber auch viele andere Autorinnen, Sylvia Plath oder Toni Morrison etwa.

Genannte Autorinnen setzen ihre Stimme für Frauenrechte, für politisches Engagement, für jene ohne Stimme ein. Auch Sie schmeißen Typen aus Ihrem Konzert, wenn Sie mitbekommen, dass diese eine Frau tätlich angehen. Kämpfen Sie immer noch für dieselben Dinge wie damals, als Sie mit Garbage anfingen?
Ja, es sind dieselben Dinge. Leider. Ich werde nicht müde, auch wenn ich mich manchmal frage, wie lange wir noch kämpfen müssen. Ich sehe viele Hoffnungsschimmer. Nehmen Sie nur mal die sozialen Medien. Man kann viel Schlechtes über sie sagen, aber immerhin galvanisieren sie alle unterdrückten und ungehörten Stimmen. Da glaube ich mit jeder Faser meines Körpers an die Evolution. Daran, dass dieser pathetische, weiße, patriarchalische Nonsense, der gerade in den USA die Muskeln spielen lässt, untergehen wird. Sang- und klanglos.

Von selbst wird das aber kaum geschehen.
Natürlich nicht, aber da kommen die Männer ins Spiel. Und damit meine ich auch Sie. Ich kann nicht begreifen, wieso sich nicht längst mehr Männer in die Reihen der Frauen gestellt haben und für sie kämpfen. Menschen, die Kinder kriegen können, sterben da draußen. Das macht mich so unglaublich wütend.

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Ist der Albumtitel „No Gods No Masters" demnach als Kampfansage ans Patriarchat zu verstehen?
Eher als Überschrift über all dem, was schief läuft in der Welt. Klar, das Patriarchat alter weißer Männer erstickt den Fortschritt, aber ebenso ersticken Polizisten Menschen. Es ist mehr als Frau gegen Mann. Vielleicht waren wir noch nie so politisch, auch wenn ich nicht sagen würde, dass „No Gods No Masters“ ein feministisches Album ist. Ich will, dass sich die Dinge verändern, und erstmals teile ich das der Welt derart konkret auf einem Garbage-Album mit. Ich habe zuletzt so viele ungute Entwicklungen beobachtet, die mich erschaudern lassen. Ich kann nicht länger still sein.

Als Sie mit Ihrem ersten Album „Garbage“ 1996 im Mainstream einschlugen, waren Sie Ende 20. Die junge Garde der weiblichen Popstars ist um die 18 Jahre alt. Was macht das mit einem Menschen?
Ich bin schon lange nicht mehr das Objekt der Begierde, aber genau deswegen möchte ich all den jungen Künstlerinnen sagen, dass sie vorsichtig sein sollen. Ich bewundere Billie Eilish für das, was sie tut, aber ich habe große Angst um sie. Diese Übersexualisierung ist furchteinflößend. Als wir mit Garbage anfingen, habe ich das auch zu spüren bekommen, aber das war noch lange vor der Gnadenlosigkeit der sozialen Medien.

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Bei all dem ist nicht verwunderlich, dass „No Gods No Masters“ so düster und schonungslos klingt.
Es ist verteufelt düster, da stimme ich zu. Ich möchte aber eigentlich gar keine düstere Musik machen! (lacht) Ich las irgendwo, dass die aktuelle Popmusik so traurig und verwirrt ist wie noch nie und ich wollte das komplette Gegenteil. Sieht aber so aus, als wäre ich nicht dazu in der Lage, flotte und euphorisierende Pop-Songs zu schreiben.

Wo gibt es im Musikbusiness sonst noch Nachholbedarf?
Es ist mehr denn je von größter Wichtigkeit, Schwarze Künstler in der Rockmusik zu unterstützen. Wenn du als Schwarzer Künstler weder R&B noch Hip-Hop machen willst, sondern Punk, dann ist das fast nicht zu schaffen. Dabei würde das der Musik, der Vielfalt so gut tun.

Garbage nehmen diese Künstler mit auf Tour oder lassen sie Konzerte eröffnen…
Uns ist bewusst, dass wir mit Garbage nicht mehr die allergrößte Relevanz besitzen. Doch die wollen wir bestmöglich nutzen. Ich habe außerhalb von Garbage nicht viel erreicht und weiß auch nicht, ob sich das noch mal ändern wird. Aber ich mache das Beste daraus.

Erstaunlicherweise spielen Sie seit einem Vierteljahrhundert in derselben Besetzung. Was ist Ihr Geheimnis als Band?
Wir haben das Glück, dass wir uns als Freunde wie auch als Kollegen gefunden haben. Wir teilen eine Menge Ansichten, mögen dasselbe Essen und haben denselben Humor. Das letzte ist vielleicht am wichtigsten. Ich bin den Jungs bis heute dankbar, dass sie mich schottisches Mädel in ihren Reihen aufgenommen haben.

Stimmt es eigentlich, dass Sie gar nicht wussten, wer Ihr heutiger Bandkollege Butch Vig ist, als man Sie fragte, ob Sie bei Garbage einsteigen wollen?
Peinlich, aber es stimmt. Man sagte mir dann, ich solle doch mal rasch nachsehen, wer „Nevermind“ von Nirvana produziert hat. Da musste ich dann auch nicht mehr lange überlegen. (lacht)

Björn Springorum

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