Kultur: Dröhnende Stille
Sie kommen aus dem Dunkel der Nacht, und sie werden irgendwann, wenn alle Spiele gespielt und alle Verirrungen durchbuchstabiert sind, wieder im Zwielicht des anrüchigen Milieus verschwinden, aus dem sie aufgetaucht waren.Bis dahin werden Fec und Bichette sich belauern und belügen, in fremden Apartements logieren, eine kleine Gaunerei begehen.
Sie kommen aus dem Dunkel der Nacht, und sie werden irgendwann, wenn alle Spiele gespielt und alle Verirrungen durchbuchstabiert sind, wieder im Zwielicht des anrüchigen Milieus verschwinden, aus dem sie aufgetaucht waren.Bis dahin werden Fec und Bichette sich belauern und belügen, in fremden Apartements logieren, eine kleine Gaunerei begehen.Sie werden die zähe Langeweile und dröhnende Stille mit unaufhörlichem Reden füllen und Sätze ausspucken wie diese: "wir werden fehler machen und wir werden keine fehler machen.was herkömmliche menschen nicht verstehen ist daß fehler gemacht werden müssen.in wahrheit gibt es das was sie für fehler halten nicht."
Gedankliches und sprachliches Auf-der-Stelle-Treten ist vielleicht das Auffälligste an Ulrich Ziegers beim Stückemarkt präsentiertem "Die Scheinbarkeit und die Irrnis".Denn in seinem nach Motiven von Walter Serners "Die Tigerin" gearbeiteten Schauspiel wird die Handlung auf Null gebracht, die Wirklichkeit mittels sprachlicher Endlos-Girlanden lediglich herbeizitiert.Aus Serners "absonderlicher Liebesgeschichte", die erstmals 1925 veröffentlicht wurde, wird ein absonderlich anämisches Stück.Was bei Serner literarisches Experiment war, nämlich zwei halbseidene Glückssucher als intellektuelle Feinschmecker agieren und in einer quasi-kriminellen Kunstsprache reden zu lassen, wird bei Zieger zur lähmenden Marotte.
Nichts bewegt sich, aber das um so ausgiebiger.Daniel Morgenroth liest seinen Fec mit trockener Coolness.Nina Hoss ist eine melancholische, fast ein wenig traurige Bichette, eine Tigerin ist sie nicht.Dazu fehlt ihr das Gemeine und Hinterhältige.Spät stolpert noch ein Restaurantbote in die Sprachwüste und erzählt ein kleines Märchen.Auch ein Anruf von einem Herrn Müller und eine skurrile Strandszene mit einem gehbehinderten Mädchen und ihrem versoffenen Onkel schiebt Zieger kurz vor Schluß in die Wörterwand.Das ist nicht viel mehr als dramaturgischer Firlefanz, ein bißchen gaga und hätte Walter Serner allenfalls ein Achselzucken entlockt.Dem dahintröpfelnden Gerede über Verunwirklichung und Effizienz hilft es nicht auf die Beine.Liebe und Leidenschaft, Lug und Trug bleiben bloße Behauptungen.Die Figuren des Stückes sind so tot, als lägen sie bereits im Leichenschauhaus.Nur einmal zerbricht Zieger den klösterlichen Ernst seiner Pariser Bordell-Philosophen: Wenn wir mit allem fertig sind, sagt Fec zu Bichette, zeige ich dir Regensburg.Da hätten wir fast gelacht.
FRANK DIETSCHREIT