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Naturgewalt. Iggy Pop bei seinem Berliner Auftritt.

© Davids

Iggy And The Stooges: Echsenenergie: Iggy Pop in der Zitadelle Spandau

Stakkato-Geachtel, fette Riffs, röhrendes Saxofon - und zu allem tanzt ein lederhäutiger Berserker - kein Zweifel: Iggy Pop war in der Zitadelle Spandau.

Was sagt man zu einem 66-Jährigen, der mit nacktem Oberkörper und in knallengen Jeans zuckt und zappelt wie ein Berserker, dabei ein Gesicht macht wie ein zerknautschter Affe und dazu kreischt wie ein brünstiger Gorilla? Durchgeknallt? Unwürdig? Lächerlich? Nein, nicht, wenn es sich dabei um Iggy Pop handelt. Gar nichts ist lachhaft am Auftritt eines der letzten wirklich wilden Männer des Rock ’n’ Roll. Alles echt und wahrhaftig an diesem leidenschaftlichen Typ, der auch heute wieder bereit ist, alles zu geben, was er hat, sich für seine Fans zu verausgaben bis zum Letzten. Ohne jegliches Brimborium, ohne Geflimmer, ohne Videowände, ohne aufgeblasene Künstlichkeiten. Das ist der pure Stoff.

Nachdem das amerikanisch-berlinische Trio Pothead in der brütenden Sommerhitze schon mal ein wenig vorgeplänkelt hat, brettert es um viertel nach acht richtig los auf der Spandauer Zitadelle. Wie aus dem Nichts, steht da plötzlich eine Wand aus massiven Musikern und grobem Sound. Schnelles wüstes Stakkato-Geachtel: Mike Watt mit trocken drahtelndem Gibson EB-3-Bass, Toby Dammit am treibenden Schlagzeug, James Williamson mit weißen Haaren fett riffend auf der schwarzen Gibson- Les-Paul und Steven Mackay tief röhrend ins Tenorsaxofon. Im Hintergrund trippelt und boxt sich der dürre muskulös lederhäutige Iggy Pop warm, springt auf den schon in voller Fahrt rasend ratternden Rock-’n’- Roll-Zug, rennt ans Mikro und singt knurrend: „Raw power will surely come a runnin’ to you, raw power got a magic touch“.

Die Hitze steigt, und die rohe Energie dieser Musik hat tatsächlich etwas Magisches, das vom Moment des Erscheinens des wilden Mannes Iggy Pop und seiner grandiosen Band The Stooges einen magnetischen Sog der Fans in Richtung Bühne auslöst. Exzessives Tanzen, Klatschen, wehende Arme. Wie es aussieht, dürfte es kaum einen unter den etwa 5600 Konzertbesuchern geben, der nicht mitgerissen wird von der ungestümen Kraft der so schön einfachen wie auch eindringlichen Dreiminutensongs, die einem hier Schlag auf Schlag um die Ohren gedonnert werden. „Gimme Danger“, „1970“, „Search And Destroy“ – jede Menge Titel der drei Stooges-Alben „The Stooges“ (1969), „Fun House“ (1970) und „Raw Power“ (1973). Platten, die sich zu ihrer Zeit nicht besonders gut verkauft haben, und die – ähnlich den Alben von Velvet Underground – erst Jahre später zu unsterblichen Klassikern der Rockgeschichte erklärt wurden.

„Bevor ich zu Iggy Pop wurde“, sagt Iggy zwischendrin, „war ich ein trauriger kleiner Junge …“ Die Fans stöhnen „Ohhh“ in gespieltem Mitleid. Obwohl das Bekenntnis vermutlich keine Koketterie ist. Als kleiner Junge hieß er noch James Newell Osterberg, aufgewachsen in einer Wohnwagensiedlung in Ypsilanti, Michigan, USA. Wie so viele seiner Nachfolger empfand er als Teenager den Rock als Befreiung aus der bürgerlichen Langeweile und Traurigkeit. Er entdeckte die Stones und die Doors, deren deutliche Spuren später in der Musik der Stooges wiederzufinden waren, nachdem er vom braven Jungen zum wilden Iggy Pop mutiert war. Wegen Erfolglosigkeit und interner Querelen lösten sich die Stooges 1974 auf, Iggy kämpfte mit seiner schweren Drogenabhängigkeit, zog 1976 in eine Schöneberger Hinterhauswohnung und begann in Berlin mit der tatkräftigen Hilfe seines Freundes David Bowie eine erstaunliche Solokarriere.

Vor zehn Jahren reformierten sich die Stooges, gaben wieder Konzerte und veröffentlichten nach 34-jähriger Pause 2007 das Album „The Weirdness“ und in diesem Jahr eine lichte Platte mit dem düsteren Titel „Ready To Die“. Ein paar kräftige Fetzer davon zeigen auch an diesem Konzertabend, dass die Stooges trotz fortgeschrittenen Alters nichts verloren haben von ihrer ungestümen Kraft. Seit dem Tod des Gitarristen Ron Asheton 2009 gebe es zwar nicht mehr The Stooges, sagt Iggy, aber immer noch Iggy And The Stooges. Und die haben es wirklich in sich und lassen es raus. Eine verlässliche Band, die immer exakt und auf den Beat ihrem exzessiven Sänger den echsenhaften Rücken stärkt und ihn immer wieder antreibt.

Der knarzt knatterig sein anarchistisches Bekenntnis „Beyond The Law“, gießt sich Wasser über die verklebten Haare, wirft die Flasche ins Publikum, springt selber hinterher, wieselt irgendwo vor der Bühne, lässt sich vom Roadie an der langen Mikro-Leine führen. „I Wanna Be Your Dog“. „Kennen Sie ,The Passenger’?“, fragt Iggy und nimmt nach einer geladenen Stunde alle noch einmal mit auf eine rasante Zugabenrunde. Umwerfend.

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