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Kultur: Ein Film über Liebe und andere Obsessionen

Sie ist Anfang dreißig, ungebunden und politisch ziemlich links. Aktivistin nicht mehr.

Sie ist Anfang dreißig, ungebunden und politisch ziemlich links. Aktivistin nicht mehr. Doch attraktiv genug, jederzeit den Mann für die nächste Nacht zu finden. Doch irgendwas stimmt nicht. Der Körper zumindest rebelliert. Und dann, eines Tages, reicht es schon aus, dass einer, irgendwo auf der Straße, ganz einfach nett zu ihr ist, um sie aus dem Gleis zu kippen. Oder hat sich Camille einfach nur zum erstenmal verliebt? Doch Alexis denkt gar nicht daran, Camilles Gefühle zu erwidern. Außerdem ist er ein zufriedener Familienvater, ein treuer sogar. Camille ist das egal. Sie kämpft. Bevorzugt mit den traditionell weiblichen Waffen. Und bis an die Grenzen der Peinlichkeit und des Anstands und der Gepflogenheiten menschlichen Zusammenlebens.

Nun hat im echten Leben solche Obsession wenig Chancen, glückliche Erfüllung zu finden. Denn die Verhältnisse sind zäh, auch ist meistens Projektion im Spiel. Das meint auch Camilles Analytiker, doch der ist selbst als ihr Liebhaber und Auch-Ehemann mehrfach betroffen. Außerdem zählen in diesem Film solche Argumente nicht. Denn "La Nouvelle Eve" gibt sich in seiner Erzählweise als realistischer Film. Emotional aber funktioniert er als Wunscherfüllungsmaschine. Eigentlich hat dieser Film alle Voraussetzungen, uns wenig zu interessieren. Erstens wurde in den letzten Jahren das Singleleben und seine Grenzen bis zum traurigen Ende ausgereizt. Zweitens spielt er in Paris, neben New York wohl die abgeschmackteste aller Städte für solches Treiben. Und drittens, fast am bedenklichsten, beruht "La Nouvelle Eve" auf einer von der Regisseurin selbsterlebten und durchlittenen Geschichte, eine Geschichte, die sie mit diesem Filmprojekt aufarbeiten will.

Aber dann gucken wir doch aufmerksam hin. Denn Catherine Corsini, Jahrgang 1958, kennt sich nicht nur gut aus in der Welt, in die sie uns führt, sie hat auch Gespür dafür, ihre kleinen Eigenheiten präzise aufzuzeigen. Spannungsgeladene Familientreffen, das Getue frischgebackener Wunschkindeltern, Partysmalltalk: hier Szenen, die fast dokumentarisch aussehen und dabei bestens unterhalten. Außerdem gibt es in Corsinis Paris neben den filmüblichen Bars und Appartements auch sozialistische Parteiversammlungen. Auch ihre Eve/Camille (Karin Viard) stattet die Regisseurin zu ihrer sympathischen Lebensgier mit einer ganzen Reihe an Unausstehlichkeiten aus. Irgendwann verspielt Camille so unsere Sympathiereserven. Dass sich die ehemalige Linksradikale bei der Parti Socialiste engagiert, um ihrem Alexis näherzukommen, kann noch als großstadtneurotische Schwäche goutiert werden. Wie sie den Mann unter Druck setzt, erklärt aus der Macht des Begehrens. Aber den herzensguten Ben, den sie zwischendrin heiratet, einfach auf der Hochzeitsreise im Hotel sitzenzulassen: das lässt sich wirklich nicht mehr verzeihen. Mit "Distanz und Humor", so Corsini im Presseheft, wolle sie sich ihrer Geschichte nähern. Und so, wie die Distanz zu Camille wächst, so muss ihr die ihrige irgendwo abhanden gekommen sein.fsk am Oranienplatz (OmU)

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