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Kultur: Ein Geruch so wie Erinnerung

Sie kam doch, die großgewachsene alte Dame, die mit kurzgeschnittenen grauen Haaren und Schalk in den Augen viel jugendlicher wirkt, als 64 Jahre vermuten lassen.Judith Herzberg kam, kränkelnd und hustend zwar, aber ihr erstes Heimspiel im Literaturhaus Berlin als "Writer in Residence" der Freien Universität wollte die holländische Lyrikerin sich nicht nehmen lassen.

Sie kam doch, die großgewachsene alte Dame, die mit kurzgeschnittenen grauen Haaren und Schalk in den Augen viel jugendlicher wirkt, als 64 Jahre vermuten lassen.Judith Herzberg kam, kränkelnd und hustend zwar, aber ihr erstes Heimspiel im Literaturhaus Berlin als "Writer in Residence" der Freien Universität wollte die holländische Lyrikerin sich nicht nehmen lassen.

Eine holländische Zeitung hat ihre Gedichte einmal als "Komplifizierungen" bezeichnet.Immer den Blick aufs Einfache, Alltägliche und Schlichte, scheint ein von ihr aufgegriffenes Fundstück nachher nicht mehr mit der gleichen Unbefangenheit betrachtbar.Als Jüdin im Krieg in nordholländischen Dörfern untergetaucht, atmen ihre Gedichte eine leichtfüßige Melancholie, die nie in Weltschmerz abgleitet.Gleichzeitig bewahrt sie sich einen humoristischen Blick für die Absurdität des Lebens.In "Berufswahl" träumt das lyrische Ich, den "Beruf" des Invaliden zu ergreifen; müßte es nicht schön sein, sich endlich an der Kasse vordrängeln zu können und gepflegt und umsorgt, sprich: geliebt zu werden? Lebt dieses Gedicht eher von dem Kontrast einer vorgestellten Situationskomik auf dem Hintergrund eines offenbaren Liebesdefizits, gelingen der Dichterin auch immer wieder Momentaufnahmen von unmittelbarer poetischer Wahrheit, wenn sie in "Wie" über ein Haustier schreibt: "Wie du manchmal ins Zimmer gehst, nicht weißt wozu / und dann zurückmußt auf der Spur deiner Absicht, / (...) / wie du weißt: ich kenn das hier, aber nicht weißt, worum es ging, / und dich ein Geruch befällt so wie / Erinnerung".

Herzberg lebt jedes Jahr einige Monate in Israel, und so ist ihr mit "Im Goethe-Institut in Tel Aviv" ein Porträt ausgewanderter deutscher Juden gelungen: "Jetzt kommen sie hier, weißhaarig, furchig, / ein vervielfältigtes Blättchen holen, / in dem die letzten Nachrichten stehn / über ihre erste Liebe: / Deutschland-Berichte./ Mit Butterbroten in Plastiktüten, / schlurfen sie auf festem Boden, / die alten nackten Füße in Sandalen." Viel zu schnell ging die deutsch-holländische Lesung vorüber, folgerichtig schloß die Dichterin mit ihrem "Liedchen": "Es dauert viel viel kürzer als du denkst / auch wenn du denkst / es wird wohl kürzer dauern als ich denke / dann dauerts doch / noch kürzer als du denkst."

Das Arsenal zeigt am 26.und 28.Januar, jeweils 19 Uhr, Filme nach Drehbüchern von Judith Herzberg.

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