Kultur: Ein Klavier, ein Klavier
Subtiler Humor: „Schöne Bescherung“ in der Komödie am Ku’damm
Norma und George Kline sind hauptberuflich tolerant, liberal und gepflegt linksintellektuell. Sie organisiert Wohltätigkeitsveranstaltungen mit bildungsbürgerlichem Anspruch. Er ist – was man an seiner professoral-wirren Grauhaarperücke erkennen kann – als Cheflektor prestigeträchtig tätig. Solche untadeligen Ehepaare machen auch bei der Kindererziehung nichts falsch: Die Tochter Susan (Sabine Urban) brilliert im Studium und hat sich standesgemäß in einen aufstrebenden Konzertpianisten verliebt. Nun sollen George und Norma den Auserwählten kennen lernen. Und weil an diesem Abend eingedenk von dessen Profession viel gesungen und musiziert wird, schlägt sich die vorfreudige Aufregung im Hause Kline in einem „Oh-HappyDay“-Chor nieder. Allerdings nur bis zu jenem Moment, in dem der junge Mann durch die Salontür tritt und genauso schwarz ist wie die Haushälterin Juanita und ein Großteil derer, für die Frau Kline ihre Charity-Events organisiert.
Das daraus resultierende Familienbeben hat der Schauspieler Francis C. Winter – offenbar inspiriert von Stanley Kramers Film „Rat mal, wer zum Essen kommt“ mit Katherine Hepburn und Spencer Tracy aus dem Jahr 1967 – in seine Debüt-Komödie „Schöne Überraschung!“ gepackt. Um es vorwegzunehmen: Das Stück ist ungleich besser, als der biedere Titel ahnen lässt. Adäquat inszeniert von Adelheid Müther, vermeidet es fetttriefende Klischeenäpfe, überrascht mit einem deutlich über dem BoulevardDurchschnitt liegenden Witz und lässt Raum für Situationskomik, die diesen Namen wirklich verdient.
Dass Winter als Darsteller – er hat sich selbst mit der Rolle des Zankapfels bedacht – etwas dicker aufträgt: geschenkt. Denn seine Adoptivmutter Judy Winter und ihr Partner Jürgen Zartmann als Ehepaar Kline machen jene Momente allemal wett. So differenziert und wohltuend weit entfernt vom krachledernen Aufspielen sind Schauspieler in diesem Genre selten. Wie Norma und George über die Gattenwahl ihrer Tochter in einen handfesten Ehestreit geraten; wie sie sich auf Nebenschauplätzen (die Schwiegermutter! Die Fehlinvestition in Susans Klavierstunden!) ereifern, um vor sich selbst und voreinander die politisch unkorrekten Vorbehalte zu bemänteln – das ist schöner, subtiler Humor. Dank dieses souveränen, in Würde gealterten Paares nimmt man gern in Kauf, dass die Turtelei der Jungen dagegen gern ein wenig zu kulleräugig daherkommt.
Sicher: Die finale Lektion über Toleranz und Nächstenliebe gerät leider genauso dick, wie Joanne Bell als Juanita auf die Boulevard-Tube drückt. Da müssen George und Norma in einem politisch korrekten Musterdialog jedes einzelne Ressentiment aus dem düstersten Winkel des Unbewussten ans Licht zerren, es aufgeklärt-therapeutisch ausbreiten, ihm sodann auf ewig abschwören und in ihr Schlussplädoyer für flächendeckende Vorurteilsfreiheit gleich noch sämtliche Schwule und Lesben unter dieser Sonne einbeziehen. Ähnlich plakativ lösen sich – im Gegenzug – die Vorbehalte der schrillen Pianistenmama (Buenaventura Braunstein) gegen die Ehe ihres Sohnes mit einer Weißen auf. Und sicher kann man streiten, ob, sobald das Stichwort „gestern“ fällt, umgehend „Yesterday“ angestimmt werden und der Intellektuelle im Boulevard anno 2006 immer noch durch eine Einstein-Frisur gekennzeichnet werden muss.
Immerhin, der durch die Umbaupläne unverändert in ihrer Existenz bedrohten Komödie am Kurfürstendamm ist ein gutklassiger Boulevard-Abend gelungen. Polit- und Kulturprominenz von Klaus Wowereit über Walter Momper bis zu Ulrike Folkerts und Udo Waltz gab sich zur Premiere solidarisch die Ehre. Wieder ein Beispiel für die Entstaubung und Differenzierung des Boulevards, die Intendant Martin Woelffer sich auf die Fahnen geschrieben hat.
Vorstellungen bis 14. Mai täglich außer montags, 20 Uhr.