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Kultur: Ein Lachen, das ins Weinen fällt

"Wer mich kennen will, muß diese Zettel lesen", schrieb der Romantiker Nikolaus Lenau.Die Zettel?

"Wer mich kennen will, muß diese Zettel lesen", schrieb der Romantiker Nikolaus Lenau.Die Zettel? Das sind Briefe, die der schwermütige Dichter an die Frau seines Freundes richtete.Sophie von Löwenthal hieß die unerreichbare Angebetete.Die Briefe schickte Lenau jedoch nie ab.Wer die "Zettel" liest, kann ein wenig von dem erahnen, was Romantik bedeutet.Wer sie gar inszeniert, sucht nach mehr Klarheit.Aber kann das Unklare jemals klar werden? Die RegieWerkstatt an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" hat sich der Romantik angenommen und bei der Premiere am Mittwoch im bat-Studiotheater die Ergebnisse dieser "Winterreise", so der Titel des dreistündigen Abends, vorgestellt.

Vier Inszenierungen.Vier Romantik-Bilder.In den Lenauschen "Totenbriefen" geht es nicht nur um die Sehnsucht und unerfüllte irdische Liebe, die Vergänglichkeit erscheint als durchgehender Leidensgrund.Regisseurin Milena Paulovics läßt eine alt gewordene Sophie, gespielt von Karla Trippel, die Briefe lesen, während auf der anderen Seite der Bühne der von Matthias Herrmann dargestellte Dichter sitzt - schweigend, gefangen von und in seiner Geisteskrankheit.Handelt ein Brief von Lenaus Fleischeslust, verbrennt sie ihn über der Kerze.Sie ist gerührt, wenn sie liest, was er über ein Rotkehlchen schreibt ("als rauschten seine Flügel deinen Namen") und wie er in einer Gewitternacht mit ihr sterben wollte.Schließlich fängt der Dichter an zu sprechen und hört auch gar nicht mehr auf: "Mein Fehler ist, daß ich die Sphäre der Poesie und die Sphäre des wirklichen Lebens nicht auseinanderhalte, sondern beide sich durchkreuzen lasse".

Warm und hell ist der Boden.Weich und hell sind die Kostüme, wenn Manfred Karge "Der Dunkle" des finnischen Romantikers Eino Leino mit Schauspielern der Theaterakademie Helsinki als musikalisch-rhythmisches Singspiel inszeniert.Fast schmerzhaft werden da mit harten Perkussionsschlägen die weichen romantischen Gefühle ausgetrieben.Tumma, der Dunkle, fürchtet sich vor dem Leben, sieht überall Bedrohung und nur im Tod Erlösung.Doch dann versuchen die Mädchen ihn mit betörend schönem Gesang umzustimmen...

Auch in Lord Byrons "Lord Robert oder Das Ende der Musik in den Gesängen der Frühe" spielt die Musik wieder eine Hauptrolle.Im ersten Akt der Aufführung "spricht" allein romantische Musik, während sich Lord Robert ("die Schatten wohnen schwarz in dir") darauf vorbereitet, in den Keller hinabzusteigen.Dort - im zweiten Akt - gerät er in eine wahre Gruftoper.Drei Särge unter Staub.Und plötzlich erscheinen ihm die drei verstorbenen Damen, die sich (Regie: Grazyna Kania) durch die verschiedensten Musikstile trällern.Da rauscht Romantisches ins Modern-Dissonante hinein und Liedhaftes verwandelt sich zum schmalzigen Finale, wenn Robert der ins Jenseits Entschwindenden nachruft: "Liebst du mich noch?" Im letzten Akt wollen die Magd und der Diener (hervorragend Lore Brunner und Matthias Herrmann) Roberts Zimmer nicht betreten, solange er noch am Flügel sitzt und Schumann spielt.So warten sie vor der Tür.Was sich da alles in den Gesichtern abspielt! Wie sie sich ergreifen lassen von den musikalischen Stimmungen! Regisseurin Leyla Rabih gibt den beiden Akteuren viel Platz für eine ganz subtile Kunst.Wie da ein Lachen ins Weinen fällt.Wie da eine Augenbraue erzählen kann! Und dann der Schrecken, als Robert den Flügel zertrümmert...

Lore Brunner ist es wohl auch zu verdanken, daß Puschkins "Mozart und Salieri" (Regie führt Wulf Twiehaus) der Höhepunkt des Abends ist.Sie spielt den Salieri, der den Konkurrenten Mozart aus Neid vergiftet, mit einer Zartheit, die dem Bösen entgegensteuert.Tränen fließen, wenn Mozart sein Requiem spielt.Und plötzlich glaubt man, daß Salieri nur deshalb so verhärmt ist, weil er so weich ist.Ein sehr zurückgenommenes Spiel (auch von der sehr guten Karla Trippel als Mozart), fast entrückt zu nennen, aber lange nachklingend.Ja, der Höhepunkt war schon am Anfang, aber das macht nichts.Romantik eben oder Durcheinander, aber bitte keine Logik.

Noch bis Dienstag, jeweils 19.30 Uhr, im bat-studiotheater.Karten unter 442 79 96.

TOM HEITHOFF

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