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Christa Ludwig und Hermann Prey in Mozarts "Così fan tutte".

© Rauchwetter/dpa

Zum Tod der Sängerin Christa Ludwig: Eine menschliche Stimme

Es gab nichts, was sie nicht konnte: Die große Mezzosopranistin Christa Ludwig ist im Alter von 93 Jahren gestorben.

Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“ hat Christa Ludwig beinahe ihre ganzes, 50 lange Jahre andauerndes Bühnen-Leben begleitet: Ihren ersten Octavian probierte sie bereits mit 21 Jahren, damals schenkte ihre Mutter - selbst Altistin und ihre einzige Lehrerin - ihr einen Klavierauszug und schrieb hinein: Jetzt für den Octavian und später für die Marschallin.

„Aber ich hätte nie daran gedacht, die Marschallin zu singen. Bis Bernstein in New York zu mir sagte: „Da kommt ja meine Marschallin“, erzählte Christa Ludwig bei einem Besuch anlässlich ihres 90. Geburtstags in ihrem Bungalow in Klosterneuburg bei Wien. Putzmunter wirkte sie damals und sprach mit heller, jugendlicher Stimme, die das warme Burgunderrot ihrer strömenden Singstimme kaum ahnen ließ.

Mit dem Zitat „Leicht muss man sein“ der Rosenkavalier-Marschallin hat sie auch ihre zweite Autobiographie betitelt und damit ihr Lebensmotto formuliert, das sowohl für ihre unsentimentale Berufsauffassung, als auch den klugen Umgang mit ihrem kostbaren Stimm-Instrument galt. „Bedenke Kind, es ist nur Theater“, hatte schon die Mutter ihr eingeschärft und für den Umgang mit ihrer Stimme beherzigte sie – einige waghalsige Ausflüge ins schwere Sopranfach ausgenommen – stets das Motto: „Man muss mit der Stimme singen, die man hat, nicht mit der, die man gerne hätte.“

Manieriertheit war ihr immer fremd

Und die Stimme, die sie hatte, war tatsächlich einzigartig mit ihrem unverwechselbaren, sinnlich-weichem Timbre, ihrer golden leuchtenden Höhe, ihrer raumgreifenden Fülle ohne jede Schwere, ihrer quecksilbrigen Beweglichkeit und ihrer unendlichen Modulationsfähigkeit, die sich bei fabelhafter Textverständlichkeit stets ganz in den Dienst eines emotional unverstellten, natürlichen Ausdrucks stellte. Jede Manieriertheit war der Ludwig fremd, und das – gerade in ihrer größten Zeit – in einer Ära, in der auf der Bühne gezierte Künstlichkeit sehr beliebt war.

Christa Ludwig wurde 1928 in Berlin geboren und wuchs in Aachen auf, wo der Vater Operndirektor war. Musik und Gesang waren allgegenwärtig, bereits als Kind trällerte sie Opernpartien und weinte abends in der elterlichen Theaterloge, wenn die Vorstellung vorbei war. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die blutjunge Christa die Familie mit Auftritten bei bunten Abenden über Wasser halten.

Christa Ludwig 2013 im südfranzösischen Cannes.

© Horcajuelo/dpa

1956 debütierte sie als Prinz Orlofsky in der „Fledermaus“ in Frankfurt, nach Stationen in Darmstadt und Hannover holte Karl Böhm sie 1955 schließlich an die Wiener Staatsoper, die ihre künstlerische Heimat wurde und blieb. Daneben sang sie auf allen großen Bühnen der Welt, sie war Stammgast bei den Salzburger Festspielen – wo sie bis zuletzt begehrte Meisterklassen gab – trat in Bayreuth auf und spielte in der goldenen Ära der Schallplatte zahllose Maßstab setzenden Aufnahmen ein.

Ihr uneinholbar großes Repertoire umfasste eigentlich alles, was im Fach Mezzo von Bedeutung ist: Angefangen bei Barockem über die Bach-Oratorien, Mozart, Rossini, Bizet, Verdi, Strauss, Mahler und Wagner bis hin zur Avantgarde. Außerdem war sie eine begnadete Lied-Interpretin, unvergleichlich sind ihre Brahms- und Mahler-Deutungen, auch Hugo Wolf und Schubert, dessen „Winterreise“ sie als eine der ersten Frauen im Herbst ihrer Karriere auf einer weltweiten Tour zum Besten gab.

Als ihre Mutter 1993 starb, beendete Christa Ludwig schrittweise ihre beispiellose Karriere mit einer Reihe von Abschieds-Auftritten. Da war sie bald 67 Jahre alt, aber die Stimme war noch frisch. Ein Kritiker schrieb damals: „Warum hört sie auf?“ Das gefiel ihr: „Das ist doch viel besser, als wenn es geheißen hätte, was, die alte Kuh singt immer noch?“ Neben gelegentlichen Meisterkursen und Premierenbesuchen in der Wiener Staatsoper verzichtete sie in den letzten Jahren fast ganz auf Musik: „Ich liebe die Stille“ bekannte sie. Am 24. April ist Christa Ludwig in Klosterneuburg gestorben.

Regine Müller

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