zum Hauptinhalt
Stillhalten: Der Kunstkritiker James Lord (Armie Hammer) erträgt einiges während er für den legendären Giacometti (Geoffrey Rush) Modell sitzt.

© Berlinale

Berlinale Außer Konkurrenz: "Erfolg ist der Nährboden des Zweifels"

Der Künstler als grübelnder, zerzauster und misogyner Wüterich: Stanley Tuccis Biopic über den legendären Bildhauer Alberto Giacometti ist wenig originell und an vielen Stellen überzogen.

Sie sehen aus wie ein Gangster“, erklärt Alberto Giacometti seinem Modell, „wenn ich Sie so male, wie ich Sie sehe, kommen Sie mit diesem Bild ins Fahndungsalbum der Polizei.“ Das Modell ist männlich, glatt, jung, es ist der Kunstkritiker James Lord, der sich im Paris der Sechziger mit Giacometti angefreundet hat und nun, kurz vor seiner Abreise nach New York, noch von ihm porträtiert werden soll. Er ist geschmeichelt und bereit, sich dem Regime des Künstlers bedingungslos auszuliefern.

„Final Portrait“ erzählt eher nebenbei die Geschichte einer Hingabe, und wenn man sich darauf konzentriert, kann man ein bisschen nachvollziehen, warum der gestandene Journalist seine Abreise immer wieder verschiebt, sich beschimpfen und hinhalten lässt, warum er geduldig den Unberechenbarkeiten des Künstlers folgt, mal mit ihm essen, mal mit ihm spazieren geht, und sich die oft wütenden Monologe anhört. Auch warum er tatenlos zusieht, wie Giacometti seine Frau Annette Arm schlecht behandelt und seinen Bruder Diego kleinmacht.

James Lord ist einfach neugierig, aus professionellen und privaten Gründen; er will erfahren, wie sein Porträt entsteht und wie es nach jeder Sitzung aussieht, auch die Rückenschmerzen und das Herumkommandiertwerden gehören zum Prozess. Armie Hammer spielt James Lord, passiv bis zur Schläfrigkeit und so aalglatt, dass man Giacometti versteht, der das Böse hinter dieser makellosen Fassade lauern sieht. Im wirklichen Leben hat Lord 1965 eine Biografie über Giacometti veröffentlicht; und das ein Jahr früher entstandene Porträt von ihm wurde 2015 versteigert.

„Final Portrait“ ist eins von mehreren Künstlerporträts dieses Festivals – kein besonders originelles. Geoffrey Rush hat nicht nur als Captain Barbossa im Sequel „Pirates of the Caribbean“ bewiesen, dass er Angst und Schrecken verbreiten kann, sondern etwa auch als Sprachlehrer in „The King’s Speech“ (2010). Jetzt mimt er den im Film 63-jährigen Maler und Bildhauer als grübelnden, zerzausten und misogynen Wüterich, der trotz seines großen Erfolges, den er in Paris genießt, missgünstig auf seine Kollegen Pablo Picasso und Marc Chagall schielt.

Seine langjährige Muse Annette hat er ausgetauscht gegen Caroline, eine junge Prostituierte, die ihn ausnimmt und ihm dafür ein bisschen kicherig-mädchenhafte Zärtlichkeit schenkt. Und ebenso wie Geoffrey Rush sein ruppiges Künstlertum, so übertreibt auch Clémence Poésy ihr Kindchengetue. Annette, die ihm jahrelang als Modell für seine Skulpturen diente, ist nun verschmähte Ehefrau und nur noch zum Fegen des Ateliers und für die Krankenpflege da. Wieso hält sich eigentlich hartnäckig der Mythos, dass Männer so herablassend und ausbeuterisch sein können wie sie wollen und trotzdem geliebt werden?

Die filmische Beschränkung auf den engen Raum von Giacomettis Studio mag eine visuelle Metapher für die Getriebenheit des genialen Künstlers sein, der schaffen und wieder zerstören muss, und der nie ein Werk beenden kann, weil es ihm immer noch unvollkommen erscheint. Auf den Einwand, dass seine Verehrer ihm seine Werke aus den Händen reißen und viel Geld dafür bezahlen, erwidert Giacometti hier lakonisch, gerade das sei ihm unheimlich: „Erfolg ist der Nährboden des Zweifels.“ Daniela Sannwald

12. 2., 9.30 Uhr (Zoo-Palast 1) und 12.30 und 18 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

Nanu, bei der Pressekonferenz ist es ausgerechnet Alberto Giacometti, der fehlt. Genauer gesagt, der Mann, der den greisen Grantler und Hurenliebhaber kongenial verkörpert: Geoffrey Rush, der in diesem Jahr noch dazu mit einer Berlinale-Kamera ausgezeichnet wird. Regisseur und Autor Stanley Tucci immerhin ist da, begleitet vom Schauspielerduo Clémence Poésy und Armie Hammer, die die Geliebte und das Modell des Künstlers spielen. Warum Tucci den von ihm verehrten Maler und Bildhauer denn nicht selber gespielt habe, will einer wissen. „Das wäre dann nur ein Projekt meiner Eitelkeit geworden“, antwortet der Regisseur, der sonst meist Schauspieler ist. Besonders wichtig sei es ihm gewesen, kein Nostalgie triefendes Bild vom Paris der Sechziger zu zeichnen, erzählt er. Und die entsättigte Farbpalette sollte sich am monochromen, gedeckten Spektrum orientieren, mit dem Giacometti zu malen pflegte.

Hammer wiederum schaut irritiert, als er nach seiner Beziehung zu Giacomettis Kunst gefragt wird „Ich bin schließlich selber Künstler!“ Nach Geplänkeln wie diesen kommt die Rede auch auf die politischen Verhältnisse in den USA. Da sei ja unter Donald Trump die Kunstförderung in Gefahr. „Diesen Präsidenten kann man nicht beeinflussen“, bescheidet Tucci die Fragerin. Er selbst habe sich schon früh für die Förderung eingesetzt, die die jetzige Regierung gern abschaffen würde. Amerika habe schon immer ein zwiespältiges Verhältnis zur Kunst gehabt und zur nationalen Kunstförderung gleich gar. „Diese Regierung betrachtet sie als Geldverschwendung. Sie sehen Kunst nicht als wichtigen Teil der Bildung an und halten womöglich nicht mal Bildung für wichtig.“ Förderung hat der Maler und Bildhauer im Film nicht nötig, er hat schon zu Lebzeiten seine Millionen unterm Bett versteckt. Gunda Bartels

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false