zum Hauptinhalt
 Andreas Schager und Camilla Nylund als  „Tristan und Isolde“ in der Bayreuther Neu-Inszenierung  von Thorleifur Örn Arnarsson.

© dpa/Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Eröffnung der Bayreuther Festspiele: Ein solider neuer „Tristan“, mehr nicht

Die Premiere von „Tristan und Isolde“ mit Andreas Schager und Camilla Nylund in den Titelrollen gewinnt zum Start der Bayreuther Festspiele die Sympathie des Publikums, erntet aber keine Begeisterungsstürme.

Stand:

Dieser Liebestrank, immer ein Problem bei Wagners „Tristan“. Wer glaubt schon noch an diesen Voodoo-ähnlichen Zauber? Also wirft Isolde den Trank kurzerhand weg. Die beiden lieben sich eh schon, da braucht es kein Aphrodisiakum.

Die Grundidee der Bayreuther Neu-Inszenierung des Isländers Thorleifur Örn Arnarsson, mit der die diesjährigen Festspiele eröffnet wurden (in Anwesenheit von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Kulturstaatsministerin Claudia Roth und dem Sänger Roberto Blanco als heuer hochkarätigstem VIP auf dem Grünen Hügel): Wagners Liebespaar ist keineswegs höheren Mächten ausgeliefert, sondern einzig und allein der eigenen Biografie. Die Liebe entspringt unweigerlich ihrer beider Geschichte.

Deshalb trägt Isolde im ersten Akt eine Art überdimensionales Brautkleid mit Rundumschleppe, das die halbe Schiffs-Vorderbühne füllt, auf das sie mit einem Federkiel Wörter aus dem Libretto schreibt. Sie ist die Erzählerin, Herrin über das Narrativ, sie sagt Tristan, wer er ist. Und der entledigt sich schon auf dem Schiff (angedeutet durch ein paar Takelage-Seile und ein waberndes Trockeneis-Nebelmeer) seines Heldentums. Tatkraft? Schwertkämpfe von Mann zu Mann? Alles gestrichen – auch wenn Tristan im zweiten Akt noch einmal mit der Faust einen Spiegel durchschlägt

Die Bühnenbilder im zweiten und dritten Akt versammeln denn auch allerlei Helden-Gerümpel im maroden Schiffsrumpf: Statuen, Büsten, Beutekunst, Blechblasinstrumente, solche Sachen. Tristan will, dass sein Macho-Ich stirbt, er entsorgt sich gleichsam selbst auf dem Müllhaufen einer überkommenen Männerwelt. Während Isolde das letzte Wort hat.

Leider will der Gesang von Camilla Nylund und Andreas Schager nicht recht zur Verkehrung der Geschlechterrollen passen. Schagers expressiver, oft schneidender, etwas steifiger Heldentenor und Nylunds weich timbrierter, die innere Dramatik nuancenreich ausgestaltender Sopran harmonieren nicht miteinander, ja, er übertönt sie nicht selten. Und Semyon Bychkov am Pult verfolgt mit dem Festspielorchester wieder eine andere Agenda, stellt die „Tristan“-Musik manchmal still, entwickelt Ekstase und Klangopulenz immer wieder wie aus dem Nichts.

Das Premierenpublikum zeigt sich angetan von den Titelhelden, von Bychkow, von einer fabelhaften Christa Mayer (Brangäne) und einem jovialen Olafur Sigardson (Kurwenal), während Günther Groissböck (Marke) nach seinem schwachen Auftritt im zweiten Akt einige Buhs hören muss. Begeisterungsstürme toben nicht durch den Saal (und das Bayreuther Publikum kann ja sehr heftig toben): ein solider neuer „Tristan“, so der erste spätabendliche Eindruck.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })