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Kulturhauptstadt: Essen: "Der schlafende Riese ist erwacht"

Rund 300 Menschen verfolgten die Entscheidung auf einer Großleinwand. Riesiger Jubel brach nach dem Verkünden der Nachricht im Essener Rathaus aus. "Das Ruhrgebiet ist auf dem Kulturolymp angekommen", so Kulturdezernent Oliver Scheytt. Von Klaus Peter und Kai Feyerabend

Brüssel/Essen - Zum Schluss wurde es noch einmal ganz eng: Nur fünf Minuten vor Beginn der Pressekonferenz mit der Bekanntgabe der deutschen Kulturhauptstadt Europas 2010 erreichte die Essener Delegation den Saal in Brüssel, in dem die EU-Jury ihr Votum verkündete. Zwei Unfall-Staus und eine Polizeikontrolle auf der belgischen Autobahn hatten zuvor den Bus aufgehalten. Dann spannte Jury-Präsident Jeremy Isaacs die «Ruhris» noch eine Viertelstunde auf die Folter, bis er um 11.45 Uhr den entscheidenden Satz verkündete: «Essen für das Ruhrgebiet wird Kulturhauptstadt Europas 2010.»

In der selben Sekunde brach im Essener Rathaus riesiger Jubel aus. Die Ruhrgebietsstadt hatte sich gegen den Mitbewerber aus dem sächsischen Görlitz durchgesetzt. Rund 300 Menschen verfolgten die Entscheidung auf einer Großleinwand. Wildfremde Menschen fielen sich in die Arme, einige wischten sich verstohlen ein Freudentränchen aus dem Augenwinkel. «Essen, Essen, Essen», skandierten die Gäste.

«"Ich bin high" war mein erster Gedanke», bekannte Essens Kulturdezernent und Moderator der Bewerbung, Oliver Scheytt, wenig später in Brüssel. «Das Ruhrgebiet ist auf dem Kulturolymp angekommen.»

Der Essener Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) hielt derweil in seinem Rathaus strahlend ein Pappschild mit der Aufschrift «Hurra, wir sind Kulturhauptstadt» in die Höhe. «Das ist so etwas wie ein Durchbruch für das Ruhrgebiet, ich bin froh und erleichtert», kommentierte Reiniger den Jury-Entscheid.

Bis zum Schluss hatten die Delegation in Brüssel und die Wartenden in Essen gezittert. «Es gab zwar positive Signale, aber die Jury hat dichtgehalten», sagte Kulturdezernent Scheytt in Brüssel. Auch dem Bochumer Kulturdezernenten Hans-Georg Küppers stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. «Der schlafende Riese ist erwacht, hat seine Glieder geordnet und seine Muskeln spielen lassen», sagte er strahlend.

«Unser regional ausgerichtetes Konzept hat den Ausschlag gegeben», zeigte sich Scheytt auf der Rückfahrt von Brüssel nach Essen bei einem Plastikbecher Champagner im Bus überzeugt. Dies hatte auch Isaacs in seiner Begründung der Entscheidung anklingen lassen. Das Ruhrgebiet sei dabei, «den Schmutz abzustreifen und in eine neue Zukunft zu gehen, als Vorbild für Europa».

Das Zusammenwachsen der Region sei der eigentliche Erfolg der Auszeichnung, betonte NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse- Brockhoff mit Blick auf die Zusammenarbeit von allen 53 Kommunen, die im Regionalverband Ruhr (RVR) zusammengeschlossen sind. Bis 2010 wollen die Städte und Gemeinden mit mehr als 100 Partnerstädten in ganz Europa gemeinsame Projekte verwirklichen. «Die Strukturen, die jetzt entstehen, werden auch über 2010 hinaus nachhaltig wirken», zeigte sich der Kulturstaatssekretär überzeugt.

Froh und erleichtert waren auch viele Essener Bürger: «Wir erhoffen uns von dem Sieg auch positive Auswirkungen für uns», sagte Ingeborg Olma, die ein Theaterprojekt mit behinderten Menschen und Künstlern leitet. «Ich finde das sehr gut», erklärte Huseyin Tiryake, der erst kürzlich das Essener Weltkulturerbe, die Zeche Zollverein, besucht hat. Er verglich das Ruhrgebiet mit Istanbul, das sich von einer kleinen Stadt zur großen Metropole entwickelt habe und ebenfalls Kulturhauptstadt wurde.

Rathauschef Reiniger bekräftigte seine Einladung an die Vertreter der Stadt Görlitz, sich 2010 auch in Essen zu präsentieren. «Görlitz hat eine beeindruckende Bewerbung eingebracht», lobte Reiniger. «Es liegt noch viel Arbeit vor uns, doch heute wollen wir erstmal feiern.» (tso/dpa)

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