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Foto: p-a/ dpa

© picture-alliance/ dpa

Reporterlegende: Ewig neugierig

Georg Stefan Troller hat den Bundesdeutschen in der Frühzeit des Fernsehens die Türen zur Welt geöffnet. Jetzt wird der Reporter 90 Jahre alt.

Er hat auf Gauguins Spuren in der Südsee gefilmt und Jack London am Polarkreis nachgespürt, war bei Orson Welles, Muhammad Ali, Marlon Brando und Woody Allen, er hat Edith Piaf kurz vor ihrem Tod interviewt und den Herzog von Windsor, Roman Polanski, die Deneuve und Coco Chanel vor seine Kamera, vor sein Mikrofon gebracht. Georg Stefan Troller hat sie alle nicht nur abgelichtet, seine Kunst ist, auch hinter die Masken zu leuchten.

Kein Enthüllungsjournalist. Aber ein Menschenerkenner und Seelenfischer, der als teilnehmender Erzähler mit seinem sonor-erotischen Timbre die anderen zum Erzählen bringt. Er überrascht Lauren Hutton, einst teuerstes Model der Welt, mit seiner ersten Frage, ob sie ihre Zahnlücke nie korrigieren wollte. Und fragt später: „Was ist das Schwerste auf der Welt?“ Da denkt der Star eine Weile nach: „Sich gegen jemanden zu wehren, den man liebt.“

Troller nennt diese scheinbare Intimität, die auch zwischen Fremden ein professionell-mitmenschliches Vertrauen schafft und die Bereitschaft, sich zu öffnen, „das Troller-Spiel“. Es gelingt nur, wenn die eigene Eröffnung nicht abgeschmackt routiniert ist und der (berühmte, verwöhnt argwöhnische) Gesprächspartner sofort spürt, dass ihm der Reporter als Ebenbürtiger begegnet. Als Neugieriger, nie als Schmeichler.

Zwei Männer haben den Bundesdeutschen in der Frühzeit des Fernsehens die Türen zur Welt geöffnet. Peter von Zahn, der politische USA-Korrespondent, und Georg Stefan Troller, der Kulturreporter in Paris. Von Zahn war im Krieg Propagandaoffizier der Wehrmacht, Troller floh als 17-jähriger jüdischer Gymnasiast nach der Reichspogromnacht 1938 aus Wien über Prag und Paris in die USA; er kehrte 1945 als GI nach Österreich und Deutschland zurück, studierte dann in Kalifornien und New York Literatur und Theatergeschichte und kam wieder: als Rundfunkkorrespondent, ein europäischer Amerikaner in Paris. Später erfindet er fürs deutsche Fernsehen sein „Pariser Journal“ und die „Personenbeschreibung“.

Das waren Streifzüge durch die Stadt, Geschichten von Häusern und Menschen, Porträts von Clochards oder Weltberühmtheiten. Bald über Paris hinaus. Vor allem aber war es die Erfindung des dokumentarischen Autorenfilms im Fernsehen. Bei einem Besuch vor fünf Jahren zum 85. Geburtstag in seiner Wohnung im 7. Arrondissement, zwischen Pantheon und Eiffelturm, sagte er, nach einer Erkenntnis auf seinen langen Lebenswegen gefragt: „Der weiteste Weg ist der zu sich selbst.“ Am heutigen Samstag wird er nun 90 und hat als Poet, Philosoph und ewiges Kind im Karl Rauch Verlag soeben das schöne kleine Buch „Vogelzug zu anderen Planeten“ herausgebracht: In elf Szenen frei nach Saint-Exupéry trifft der „Kleine Prinz“ dort unter anderem auf Pinocchio, Alice im Wunderland und Lolita. Gratulation!

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