Kultur: FILMTIPP DER WOCHE
Von Christiane Peitz
Von Christiane Peitz
Nicole Kidman trägt ein eisernes Hundehalsband mit Glöckchen, das bei jeder Bewegung zu bimmeln beginnt. Sie muss sich verbiegen, um schmerzfrei laufen zu können: eine erniedrigte, misshandelte, schrecklich gequälte Frau. Nicole Kidman als Grace in Lars von Triers Dogville ist und bleibt eine Zumutung. Man kann sich noch so sehr darüber aufregen, dass der große dänische Regisseur sichtlich Gefallen daran findet, seine Heldin zu quälen – sie geht einem nicht mehr aus dem Kopf.
Die Gangsterbraut Grace flüchtet nach Dogville, wird liebevoll aufgenommen, dann zunehmend diskriminiert. Die Grenzen der Toleranz sind eng gesteckt; der Nachbar ist des Nachbarn Wolf. Bis Grace sich gnadenlos rächt. Schuld und Sühne also. Eine Amerika-Parabel, wie schon „Dancer in the Dark“, ein Kleinstadt- und Asyl- und Menschheits-Lehrstück: Lars von Triers Allegorie, die in Cannes 2003 zu Unrecht leer ausging, ist gewiss der nachhaltigste Film des letzten Jahres. Das liegt weniger an der großartigen Schauspieler-Riege (neben Kidman Chloe Sevigny, Lauren Bacall, Harriet Andersson und James Caan) als an von Triers Mut zum ästhetischen Experiment. Dogma meets Brecht: eine Bühne als Spielfeld, Möbel und Kreidestriche markieren das Nötigste. Diese fast abstrakte Theater-Versuchsanordnung kombiniert er mit einer extrem suggestiven Filmkamera, so unstet und subjektiv wie der menschliche Blick. Dazu die geschundene Grace. Kaum auszuhalten.
(Moviemento, Sojus; am 22. Cinema Paris)
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