zum Hauptinhalt
Charlotte Thiele, Violine (links), Karolina Errera, Viola und Bryan Cheng, Violoncello

© promo/Konzertleben eV

Förderung für junge Klassikkünstler: Jeder Auftritt zählt

Eine klassische Bürgerinitiative: Der private Verein „Konzertleben“ ermöglicht Nachwuchsprofis Auftritte in Berlin und auf Rügen. Und die bedanken sich mit draufgängerischen Interpretationen.

Von Frederik Hanssen

Stand:

Es sind nicht genug Stühle da an diesem Abend. Der Andrang ist so groß, dass einige Besucher nur noch auf den Treppen Platz finden. Es hat sich offensichtlich herumgesprochen, dass hier, im Dahlemer Max-Planck-Institut für Bildungsforschung spannende Abende mit jungen Klassikkünstlern zu erleben sind.

Die Location in der Nähe des Breitenbachplatzes ist aber auch spektakulär. Von 1971 bis 73 wurde der skulpturale Gebäudekomplex errichtet, der Entwurf stammt von den Architekten Hermann Fehling und Daniel Gogel, denen mit dem Berlin-Pavillon an der Straße des 17. Juni und dem Studentendorf Schlachtensee zuvor bereits markante Beiträge zur Nachkriegsarchitektur im Westen der geteilten Stadt gelungen waren.

Blick in die Eingangshalle des Max Planck Instituts für Bildungsforschung in Berlin bei einer Veranstaltung des Vereins „Konzertleben“.

© Konzertleben eV

Inspiration fanden sie beim Großmeister Hans Scharoun, und in der Tat wirkt das Institut in der Lentzeallee wie eine kleine Schwester der Philharmonie. Auch hier erfolgte die Planung von Innen nach Außen, im Zentrum sollten die Bedürfnisse der Nutzer stehen. Also gibt es einerseits ruhige Büros fürs konzentrierte wissenschaftliche Arbeiten und andererseits großzügige Kommunikationsflächen für den fachübergreifenden Gedankenaustausch.

Die Konzerte finden in der weiten, polygonalen Eingangshalle statt: Wie in der Philharmonie umringen die Zuschauerinnen und Zuschauer dabei die Musizierenden. Und obwohl die Kombination aus Sichtbetonwänden und Teppichboden das kaum vermuten lässt, sind die akustischen Bedingungen hervorragend. Schon 1983 fand hier der allererste Auftritt des Berliner Scharoun-Ensembles statt, das damals gerade von innovativen Mitgliedern der Philharmoniker gegründet worden war.

Geballte Exzellenz

An diesem Abend präsentieren sich die Geigerin Charlotte Thiele, die Bratschistin Karolina Errera und der Cellist Bryan Cheng, und bereits die ersten Takte von Gideon Kleins Streichtrio machen deutlich, dass hier geballte Exzellenz sitzt. Dabei sind die drei ein Ad-Hoc-Ensemble, haben sich erst ein paar Tage vor dem Auftritt zusammengetan. Gerade das aber verleiht ihrem Spiel eine enorme Intensität und Dringlichkeit.

Fantastisch charaktervoll folgt Maurice Ravels Sonate für Violine und Cello: Man kann förmlich dabei zusehen, wie eine gelungene Interpretation entsteht – indem nämlich die Musik erst die Körper der Ausführenden durchströmt, um sich dann auf die Instrumente zu übertragen.

Organisiert werden die Institutskonzerte von einem privaten Verein namens „Konzertleben“. Antonia Joussen, eine Charité-Chefärztin, hat ihn während der Coronapandemie gegründet. Ihr Ziel damals: Musikerinnen und Musiker zu unterstützen, die von den Lockdowns besonders hart betroffen waren, und ihnen so bald wie möglich wieder Auftritte zu verschaffen. Aus der Nothilfeaktion hat sich ein festes Förderprogramm entwickelt – denn Starthilfe können Nachwuchsprofis am Anfang ihrer Karriere immer gebrauchen.

Die jungen Musikerinnen und Musiker sollen ihre „Konzertleben“-Soireen möglichst selbstständig gestalten. Das beginnt mit der Programmplanung – hier werden die beiden höchst anspruchsvollen Werke aus dem 20. Jahrhundert von einem Repertoire-Hit abgefedert, Brahms‘ 3. Klavierquartett – schließt erklärende Worte zu den Werken auf offener Bühne ein und reicht bis zur Notwendigkeit, Werbung für die eigene Sache zu machen.

Gerade letzteres fällt vielen Klassik-Profis immer noch schwer. Doch ohne Selbstvermarktung geht auch bei der so genannten „ernsten Musik“ längst nichts mehr. Da ist es eine tolle Herausforderung für die Geförderten, dass ihnen der Verein auch die Möglichkeit eröffnet in Putbus auf Rügen kleine Kammermusik-Festivals zu organisieren. Das nächste findet zu Ostern statt.

Nach der Pause tritt mit Till Fellner ein erfahrener Pianist für das Brahms-Quartett hinzu – und plötzlich klingen die drei Streicher viel erwachsener, gehen nicht mehr ganz so draufgängerisch auf volles Risiko wie zuvor. Diese veränderte Spielhaltung passt allerdings perfekt zum Stück, schließlich ist die Partitur in zwei Phasen entstanden und erzählt so vom Reifeprozess des romantischen Komponisten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })