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Kultur: Frisch und fein

JAZZ

Ein Tentett auf die Beine zu stellen, zeugt nicht nur in Zeiten allgemeiner Sparzwänge von hoher Risikobereitschaft. Im Jazz sind solche größeren Formationen die Ausnahme. Dennoch führt der Pianist, Arrangeur und Komponist Nicolai Thärichen die von Marty Paichs West Coast-Dektett vor rund 50 Jahren begründete Tradition fort. Seit 1999 umgibt sich Thärichen mit der Crème der jungen Berliner Jazz-Szene, zwei Jahre später gelang ihm mit seinem Debüt- Album „Lady Moon“ ein großer Wurf.

Im gut gefüllten Quasimodo hat Thärichens Tentett jetzt das Folgeprojekt vorgestellt: Sein Album The Thin Edge (Minor Music) vereint so unterschiedliche lyrische Texte wie die der Spätromantikerin Dorothy Parker oder des britischen Anti-Psychiaters Ronald D. Laing. Anders als bei Marty Paich spielt hier eine Gitarre mit (Kai Brückner), und auch die Kombination von Posaune und Bassklarinette erinnert eher an den frischen Wind eines Bob Mintzer.

Die besondere Note in Thärichens Tentett liefert jedoch der Gesang. Zwischen facettenreichem Tenor und ätherischem Falsett setzt Michael Schiefel einen Kontrapunkt zu den fülligen Bläsern und verleiht den elegisch- schrägen Texten ein geradezu irres Flair. Thärichen, der auf der Bühne abwechselnd moderiert, behutsam in die Tasten greift und dirigiert, bringt einen ganz eigenen Sound hervor. Er setzt nicht nur auf die stabile, groovende Rhythmusgruppe, die Blasgewalt seiner versierten Band, sondern verarbeitet auch die leiseren Töne kammermusikalischer Tradition. Bei so viel Witz, kompositorischem Spürsinn und Lust am Solo kann man nur feststellen: Das große Gewand passt wie angegossen.

Roman Rhode

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