zum Hauptinhalt
Das National Ballet of China gastiert mit „Ruf des Kranichs“ am 11. und 12. Juli 2017 bei den Hamburger Ballett Tagen.

©  NBC

Gastspiel National Ballet of China in Hamburg: Getanzte Brücke nach China

Choreograf John Neumeier im Gespräch über die Kunst des National Ballet of China bei den Ballett-Tagen in Hamburg und die Zusammenarbeit mit China

Von Sandra Luzina

Herr Neumeier, Sie verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit dem National Ballet of China. Was ist Ihr Eindruck von der Compagnie?

Das National Ballet of China ist eine sehr gut trainierte Compagnie. Es gibt keine größere Ballettschule auf der Welt als in Peking. Dort wird chinesisch-klassisches Ballett unterrichtet, was eine ganz besondere Form ist – und es gibt eine beeindruckende Abteilung für Volkstanz. Der russische Einfluss ist natürlich sehr stark.

Das Ballett in China wurde ja aus der Sowjetunion importiert.

Dadurch ist eine Basis etabliert worden, die sehr hilfreich ist für jede Form von Tanz. Mich fasziniert an dieser Compagnie genau diese Verbindung von klassischer Technik und traditionellen chinesischen Tanzformen. Die Peking-Oper etwa hat eine besondere Form von Gestik, Sprache, Dynamik und Timing.

Sie waren im Mai in Peking und haben mit dem NBC ihre Choreografie „Das Lied von der Erde“ einstudiert. Zuvor hatte die Compagnie schon ihr Stück „The Little Mermaid“ (2014) übernommen. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Die Compagnie wollte speziell „Das Lied von der Erde“ haben, weil Mahlers Komposition auf chinesischen Gedichten aus dem 8. Jahrhundert basiert. Es war sehr interessant, dieses Ballett, das ich ursprünglich für die Pariser Oper gemacht habe, dann mit meiner eigenen Compagnie aufgeführt habe, nun mit chinesischen Tänzern zu sehen.

John Neumeier (78) ist einer der bedeutendsten Choreografen der Gegenwart. Seit mehr als 40 Jahren ist der gebürtige US-Amerikaner Direktor des Hamburg-Balletts.
John Neumeier (78) ist einer der bedeutendsten Choreografen der Gegenwart. Seit mehr als 40 Jahren ist der gebürtige US-Amerikaner Direktor des Hamburg-Balletts.

© Kiran West

Sie haben das National Ballet of China nun als Gastkompanie zu den 43. Hamburger Ballett-Tagen eingeladen. Was erwartet die Zuschauer?

Es ist eine Compagnie, die etwas sehr Eigenes und Besonderes hat: im Hinblick auf ihre chinesische Tradition, aber auch dadurch, dass sie sich in den letzten Jahren für den modernen Tanz geöffnet hat. Dieses Profil hat nicht zuletzt die Programmauswahl mitbestimmt.

Es werden insgesamt sechs Stücke chinesischer Choreografen präsentiert. Sind auch Ballette darunter, die auf chinesischen Stoffen basieren?

Wir zeigen einen Ausschnitt aus „The Crane Calling“. Das Ballett basiert auf der Geschichte einer Frau, die Wissenschaftlerin war und Kraniche studiert hat. Das gesamte Ballett können wir leider nicht zeigen wegen der aufwendigen Dekoration. Dieses Ballett illustriert die klassische Basis der Compagnie, aber es werden auch kürzere Stücke gezeigt, die die Originalität der jungen chinesischen Choreografen zeigen.

Verständnisprobleme gibt es keine?

Ich glaube nicht. Das ist das Tolle an unserer Kunst, dass sie keine Worte braucht. Das Programm ist auch nicht so speziell wie die Peking-Oper. Das NBC gastierte bereits 2011 bei den Hamburger Ballett-Tagen mit „Raising the Red Latern“ – und das ist sehr gut angekommen.

Werden Sie die Zusammenarbeit mit dem NBC fortsetzen?

Ich glaube, die Compagnie würde es gern machen. Alle sind dort sehr aufgeschlossen, und sie haben den Eindruck, dass sie von meiner Art zu arbeiten sehr viel lernen – auch ich lerne viel von ihrer Kultur. Deswegen sind sie froh, jetzt nach Hamburg kommen zu können. Einige der Tänzer und Ballettmeister kommen sogar früher, damit sie weitere Werke von mir bei den Ballett-Tagen sehen können. Auch wenn auf der politischen Ebene manches problematisch ist: Durch die zwischenmenschlichen Beziehungen, die zwischen Künstlern entstehen, werden Brücken gebaut.

Das Gespräch führte Sandra Luzina

Zur Startseite