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Wie eine West-Berlinerin die Stadt erleben kann: Geburtsrechte haben

Gerade hat eine Bekannte ihr erstes Kind bekommen und ist ganz verstrahlt vor Glück. Ich dagegen bin alarmiert.

Gerade hat eine Bekannte ihr erstes Kind bekommen und ist ganz verstrahlt vor Glück. Ich dagegen bin alarmiert. Aus Liebesgründen ist meine Bekannte vor einer Weile aus Berlin weggezogen, in einen Ort namens Uchte. Den Vorgang als solchen finde ich ja wildromantisch. Für einen Mann von Berlin nach Uchte, das hat das Zeug zur Maßeinheit für die Liebe: Wieviel Uchte mag ich dich?

Ihrer Tochter hat meine Bekannte allerdings keinen Gefallen getan, die hat sie nämlich in Uchte geboren. Na bestens. Da will man auf die Welt kommen und landet in Uchte. Und wird diesen Ort ein Leben lang nicht mehr los. Eines fernen Tages steht das Mädchen in Tokio oder Los Angeles am Flughafen, eine Weltenbummler-Sonnenbrille auf der Nase, und fühlt sich lässig, bis der Beamte ihren Pass aufschlägt. Da stehts dann. Place of birth: Uchte. Sie wird beschämt die Augen niederschlagen. Gegen so eine Schmach ist selbst die dunkelste Weltenbummler-Sonnenbrille machtlos.

Wäre meine Bekannte mit ihrem Babybauch doch bloß nach Berlin gefahren. Dort dann fix das Kind bekommen und zurück nach Uchte mit dem richtigen Geburtsort im Pass.

Mir ist die Gnade der Berliner Geburt zuteilgeworden, und ich muss sagen, es lebt sich höchst angenehm so. Zum einen verleiht es einem diesen Living-on-the-edge-Anstrich: Während Kinder andernorts auf lindgrünen Auen spielten, fuhren wir mit unseren Kettcars am ersten Mai Slalom um brennende Autos. Zum anderen adelt es, durch den Tatbestand der Verknappung: Was, eine echte Berlinerin? fragen die Leute. Die trifft man ja selten!

Ähnlich verhält es sich mit den Regenten eines Landes. Neulich las ich, dass die Mitglieder des schwedischen Königshauses sehr volksnah unterwegs seien. Sie tragen ihre Einkäufe eigenhändig nach Hause und sprechen dabei durchaus mal mit Passanten. So auch bei mir, von Standesdünkeln keine Spur. Selbst mit jemandem aus Uchte würde ich reden. Verena Friederike Hasel

Hinweise zur Geburt in der richtigen Stadt unter www.geburt-in-berlin.de

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