Kultur: Gummiflummi
Von wegen Vamp: Nelly Furtado in Berlin
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Sie ist eines dieser Mädchen, die auf Teufel komm raus flirten, dann aber – wenn man sie besser kennt – doch nicht mehr als gute Kumpels sein wollen. Die Kanadierin Nelly Furtado spielt auf ihrem aktuellen Album „Loose“ und in der begleitenden Bilderflut mal den Vamp, mal das promiskuitive Naivchen. Sie kann das wirklich gut. Bei ihrer Show in der Arena in Berlin-Treptow aber, wenn man in den hinteren Reihen nicht mehr ganz die Raffiniertheit ihres Augenaufschlags mitbekommt, überzeugt sie in diesen Rollen nur einige Songs lang. Wenn sie etwa zum Eröffnungsstück „Say It Right“ die Treppe herabschreitet, Mittelpunkt einer streng symmetrischen Bühne, den Lockenkopf umherwirft und schmachtet: „You got what it takes to set me free.“ Oder wenn sie im schwarzen Abendkleid die souveräne, leidgeprüfte Jazzsängerin gibt, regungslos im roten Licht.
Doch spätestens in der R’n’B-durchtränkten zweiten Stunde, schon casual gekleidet, hüpft die Kanadierin wie ein Gummiball, winkt, kiekst, kichert. Nelly, der Kumpel, Nelly, die Folkmaus. Zum EM-Hit „Forca“ läuft sie gar im Trikot der deutschen Nationalmannschaft auf. Der festgezurrte Sound, den Produzent Timbaland ihr verpasst hat, wird von der unauffälligen Band etwas verwässert, ihr größter Hit „I’m Like A Bird“ hingegen scharfkantig verrockt. Nelly Furtados Stimme setzt sich mit stets ungebrochener Kraft durch. „All Things (Come To An End)“ singt sie im Duett mit Rea Garvey von der Band Reamonn. Man hört ihn kaum. Nach unterhaltsamen zwei Stunden verabschiedet sich der Star mit der druckvollen Single „Maneater“. Dass die junge Mutter sich hier nicht selbst besingt, hat man nun begriffen.
Daniel Völzke
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