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Prägende Rolle: Günter Lamprecht als „Tatort“-Kommissar Franz Markowitz.

© dpa / Foto: Nestor Bachmann

Berliner Schauspieler gestorben: Die Verlorenen waren Lamprechts Metier

Er spielte die Zentralfigur in Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“, er war „Tatort-“Kommissar Markowitz. Ein Nachruf auf den Berliner Schauspieler Günter Lamprecht.

Geboren wurde er am 21. Januar 1930 in Berlin, als Sohn eines Taxifahrers. Eine Dachdeckerlehre brach er ab, das Orthopädiehandwerk war nicht seins. Günter Lamprecht wollte Schauspieler werden, unter allen Umständen. Nebenbei versuchte er sich als Amateurboxer. Es waren die Ausbildung an der Max-Reinhardt-Schule und erste Rollen am Schillertheater unter Regisseuren wie Hans Lietzau und Erwin Piscator, die den Lebensweg von Lamprecht begradigten. Also Schauspieler.

Fließig und fleißig engagiert

Theater, Film, und Fernsehen, wer die Arbeitsbiographie liest, erkennt einen so fleißigen wie fleißig engagierten Charakterkopf. Von bemerkenswerter Physis hat er Figuren gespielt, nein, gezeichnet, die an den und von den Rändern der Gesellschaft ein Stück vom glücklichen Leben ergattern wollen und doch ihren Teufelskreisen nicht entkommen können.

Lamprecht kannte diese Männer und Menschen, weil der in Kreuzberg Aufgewachsene das Milieu kannte. Dieses spezifisch Proletarische, von Alfred Döblin in seiner Romanfigur Franz Biberkopf gefasst, erkannte Rainer Werner Fassbinder in Günter Lamprecht. Döblin beschreibt Biberkopf als „großes ausgewachsenes Tier in Tüchern“, Fassbinder wollte es von Lamprecht gezeigt sehen - und der zeigte es. Seine größte Rolle, Applaus von Publikum und Kritik national wie international.

Fassbinder und Lamprecht suchten und fanden sich, drei Produktionen - „Welt am Draht“, „Martha“ und „Die Ehe der Maria Braun“ - haben sie miteinander gedreht, drei zentrale Filme der 70er Jahre. Die in sich und in der Welt Verlorenen waren Lamprechts Metier, wer erinnert sich nicht an den Kinofilm „Das Brot des Bäckers“ von 1976 von Erwin Keusch, Lamprecht als Bäcker Baum, einen Kleingewerbetreibenden, der sich gegen einen Supermarkt behaupten muss? Oder ein Jahr später als Alkoholiker in Peter Beauvais’ Drama „Rückfälle“.

Es sind solche Figuren, die die Engagements und das charakterstarke Spiel von Günter Lamprecht auszeichneten. Aber da war noch etwas anderes: Berlin. Die grandiose Verfilmung von Döblins Roman ist genannt, in dezidiert anderer Ästhetik und in anderem Kontext müssen aber Lamprechts Verkörperung von Reichspräsident Paul von Hindenburg in der zweiten Staffel von „Babylon Berlin“ , einer Verlebendigung einer Zentralfigur der untergehenden Weimarer Republik, und sein „Tatort“-Kommissar Franz (!) Markowitz hervorgehoben werden.

Nie mit Gewalt

Ein Fahnder der stillen, ruhigen und psychologischen Art. Wichtig war Lamprecht, der die meisten Drehbücher selbst mitentwickelt hat, die Schwierigkeiten und Finessen der Polizeiarbeit in Berlin darzustellen. Selbst als Kommissar lebte Lamprecht seine Überzeugung gegen Gewalt aus - sein Markowitz trat seinen Dienst stets ohne Waffe an. 16 Mal hat Lamprecht den „Tatort“-Kommissar in den 90er Jahren gespielt, eine kleine Ewigkeit für daraus folgende Popularität.

Günter Lamprecht, ein Mensch und Menschendarsteller - und ein Überlebender. 1999 schoss ein Amokläufer auf ihn und seine Lebensgefährtin Claudia Amm in Bad Reichenhall. Sechs Kugeln trafen den Schauspieler. Was ihn nicht hinderte, sich ein Jahr später mit der Autobiographie „Und wehmütig bin ich noch immer“ und 2007 mit „Ein höllisch Ding, das Leben“ als Autor zu etablieren. Mit Produktionen aber, die Gewalt zum Mittel bloßer Unterhaltung machen, wollte er nichts mehr zu tun haben.

Am 4. Oktober ist Günter Lamprecht im Alter von 92 Jahren gestorben.

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