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Kultur: Gut designt ist halb gesungen

POP

Simply Red sind erwachsen geworden, eigentlich aber ist Mick Hucknall erwachsen geworden. Mit 43 tanzt es sich nicht mehr so leichtfüßig über die Bühne. „Holding back the years“, flötet er mit soulig-warmen Timbre von der Bühne. Es klingt wie eine inbrünstige Bitte: Ach, könnte man die Zeit doch anhalten. Selten scheint die Textzeile so wahr gewesen zu sein. Das Image des jugendlichen Womanizers lässt sich angesichts eines unverkennbaren Bauchansatzes und des ergrauenden Rotschopfs auf der Bühne der Berliner Max-Schmeling-Halle kaum noch aufrechterhalten. Dafür liefert der Simply-Red-Frontmann zum deutschen Tourstart eine perfekte Show, die Band spielt mit beeindruckend cleanem Sound. Die Musik ist aufgeräumt, klar, bewegt sich zwischen vertonter Erotikstimulanz und Guter-Laune-Groove. Das Repertoire ist bis aufs genaueste einstudiert und abgestimmt, selbst die Saxofonsoli gleichen den Einspielungen auf Platte bis aufs Haar.

Die Selbstinszenierung von Mick Hucknall lässt den Musikern keine musikalische Freiheit. Sie zupfen zurückhaltend ihre Instrumente und überlassen das Feld dem Chef. Simply Red sind keine gewachsene Band, sondern eine One-Man-Show. Es ist der perfekt designte weiße Soul der Band, der das Publikum schon immer anzog, aalglatt, ohne verruchte Untertöne oder solistische Exaltiertheit. Das macht den Charme von Simply Red bis heute aus, die bis Mitte der Neunzigerjahre wie eine Maschine Charthit um Charthit produziert hatten. Mit der Hoffnung, an diese goldenen Jahre anknüpfen zu können, ist Hucknall mit dem neuen Album „Home“ zum Altbewährten zurückgekehrt. Doch die neuen Stücke sind live nur das Vorspiel für die älteren Kamellen von „Money’s too tight to mention“ bis „If you don’t know me by now“, bei denen das ebenso in die Jahre gekommene Publikum von Herzen mitschmachten darf.

Michael Schultheiss

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