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Das Ischtar-Tor im Südflügel vom Pergamonmuseum bei einer Besichtigung zum Start des zweiten Bauabschnitts im Pergamonmuseum.

© dpa/Jens Kalaene

Haltbarkeit für hundert Jahre: Am Pergamonmuseum beginnt der zweite Bauabschnitt

Einen ungünstigeren Baugrund als den Kolk, auf den das Museum 1910 gestellt wurde, kann man sich kaum vorstellen. Jetzt soll eine neue Zeitrechnung beginnen.

Von Bernhard Schulz

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Der Fortschritt ist eine Schnecke, heißt es – ganz sicher aber ist jeder Baufortschritt eine Schnecke. Auch wenn sich die Schneckenspur im Lauf der Zeit als folgerichtig enthüllt So beim Pergamonmuseum, dessen zweiter Bauabschnitt „B“, den Südflügel des riesigen Komplexes betreffend, am Donnerstagvormittag eingeläutet wurde: ganz feierlich mit einer vor Ort befüllten „Zeitkapsel“ und allen Beteiligten aus Museen, Architektenschaft und Baubehörde.

Leider erst der Beginn des zweiten Abschnitts: Die Wiedereröffnung ist erst für das Jahr 2037 geplant. Bis dahin werden weitere 722 Millionen Euro verbaut sein, dazu noch etwas aus der klugerweise gebildeten Risikorücklage in Höhe von 295 Millionen. Eine stolze Summe für die 22.700 Quadratmeter Bruttogrundfläche des Bauabschnitts B, die 7.500 Quadratmeter reine Museums-Nutzfläche ergeben. Aber wie gestern beim Abschiedsrundgang durch die zu sanierenden Bauteile deutlich wurde, folgt das Vorhaben einem durchdachten Konzept.

Alternativlos ist es, die antiken Großarchitekturen wie die Prozessionsstraße aus Babylon und das Markttor von Milet an Ort und Stelle zu belassen, was enorme Maßnahmen zu Schutz und Sicherheit während des ringsum vonstatten gehenden Baugeschehens erfordert. Auch darüber, in den Glasdächern, muss Tabula rasa gemacht werden. Völlig neue Lichtdecken gilt es zu konstruieren, die bislang fehlende Klimatisierung des Hauses einbegriffen. Untendrunter muss die Stahlbetonbrücke über dem wässrigen Kolk saniert werden, auf die das Gebäude nach Baubeginn 1910 gestellt werden musste. Einen ungünstigeren Baugrund kann man sich wahrlich kaum vorstellen.

Zusammengestückelte Ziegelwände

Was nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs unter drückender Materialknappheit wiederhergestellt wurde, zeigt sich nun, da die gnädigen Verkleidungen vor den zusammengestückelten Ziegelwänden abgenommen sind, als das, was es war: als Provisorium unbestimmbarer Nutzungsdauer. Die ist spätestens jetzt abgelaufen, und bei allem Respekt vor den Leistungen der DDR-Jahre, muss jetzt Haltbarkeit für die nächsten hundert Jahre geschaffen werden. Mindestens.

So folgten die Beteiligten der Feierstunde mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das weinende galt den zwölf Jahren Entzug öffentlicher Sichtbarkeit der vor allem für den Touristenbetrieb unersetzlichen Schätze, das lachende der Aussicht auf grundlegende Verbesserung. Die mehr ist als das, denn der Bauabschnitt B umfasst nicht nur die Bestandssanierung, sondern auch die Ergänzung um den vierten Flügel entlang des Kupfergrabens, um die noch in Charlottenburg stehenden ägyptischen Architekturen aufzunehmen und in hellstem Tageslicht auszustellen.

Geplant hat diesen Flügel samt repräsentativem „Pergamonsteg“ der 2007 verstorbene Architekt Oswald Mathias Ungers, dessen Erbe mit aller Feinfühligkeit der ähnlich rationalistisch entwerfende Jan Kleihues angetreten hat. Die gestern vorgestellten Renderings lassen erkennen, wie gut sich der vierte Flügel in die historische Substanz des 1930 mehr oder weniger fertiggestellten Pergamonmuseums zu beiden Seiten einfügen wird.

Baulich fertiggestellt wird Ende dieses Jahres der Bauabschnitt A, der Nordflügel des Museums mit dem namengebenden Pergamon-Altar sowie dem dann auf verdoppelter Fläche logierenden Museum für Islamische Kunst mit dem Großobjekt der Mschatta-Fassade. Nach Aufstellung der sorgsam verwahrten Einzelobjekte wird 2027 diese Hälfte des Komplexes wiedereröffnet. Dann wird die innere Logik des gesamten Bauvorgangs zutage treten – ein Vierteljahrhundert nach den ersten Schritten zur Sanierung. Der Fortschritt ist eine Schnecke, aber in diesem Falle eine, die ihr Ziel nicht aus dem Auge verloren hat.

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