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Szene aus dem Roehler-Film "Herrliche Zeiten": Claus (Oliver Masucci, re.) und sein Sklave Bartos (Samuel Finzi) auf einer Togaparty.

© Verleih

"Herrliche Zeiten" von Oskar Roehler: Unterwerfung

Zwei Brüder im rechten Geiste: Oskar Roehler hat sich mit der Filmsatire "Herrliche Zeiten" eines Romans von Thor Kunkel angenommen.

Von Andreas Busche

Der Soziologe Erich Fromm schrieb Anfang der vierziger Jahre über den „autoritären Charakter“ und seine Identifikationskrise im ungezügelten Spätkapitalismus: Er habe „die Tendenz, die Unabhängigkeit des eigene Selbst aufzugeben und es mit irgend jemand oder irgend etwas außerhalb seiner selbst zu verschmelzen, um sich auf diese Weise die Kraft zu erwerben, die dem eigenen Selbst fehlt.“ Und weiter: „Deutlich erkennbare Formen dieses Mechanismus sind das Streben nach Unterwerfung und nach Beherrschung – die masochistischen und sadistischen Strebungen.“

In Oskar Roehlers „Herrliche Zeiten“ ist Unterwerfung beides: lustvolle Hingabe und zivilisatorische Notwendigkeit. „Herrschaftliche Haltung muss man erlernen“, erklärt Bartos (Samuel Finzi) seinem Meister, der sich in seine neue Rolle erst noch einfühlen muss. Es beginnt mit einem Anzeige aus einer Champagnerlaune heraus. „Sklavin gesucht“ annonciert Schönheitschirurg Claus (Oliver Masucci) im Netz. Vor der Tür seiner Vorstadtvilla steht dann die halbe rheinische SM-Community – und ein untersetzter devoter Mann ohne Eigenschaften, aber mit besten Führungszeugnissen, für den ein ehrliches „Herr-Knecht-Verhältnis“ vor allem von Vertrauen geprägt ist. Claus’ neurotischer Frau Evi (Katja Riemann) ist der Subalterne mit der einschmeichelnden Stimme nicht geheuer, aber Bartos besteht seiner Probewoche dank dreigängiger Dinnermenüs und den Wellness-Packungen seiner Frau Lana (Lize Feryn), die ebenfalls in den Dienstbotenbungalow der Müller-Todts einzieht.

„Herrliche Zeiten“ kommt mit einer langen Vorgeschichte in die Kinos, die fast interessanter ist als der Film selbst. Roehlers Film basiert dem Roman „Subs“ von Thor Kunkel von 2011. Damals war der Ruf Kunkels, kurzzeitig ein Hoffnungsträger der deutschen Literatur, von dem Skandal um seine Naziporno-Kolportage „Endstufe“ schon arg lädiert. Was Roehler an Kunkel reizt, liegt auf der Hand: Der Regisseur von „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ pflegt sein Image als Enfant Terrible des deutschen Kinos. Anfang der nuller Jahre hatte er mit „Die Unberührbare“ und „Der alte Affe Angst“ tatsächlich für frischen Wind gesorgt.

Drehbuchautor Berger hat von der Romanvorlage tatsächlich nur „Motive“ übernommen

Nun hat Kunkel seinem Regisseur Publicity beschert, die Roehler durchaus entgegenkommt – während alle anderen Beteiligten schon seit einer Weile um Schadensbegrenzung bemüht sind. Im Juni vergangenen Jahres enthüllte der "Stern", dass hinter der AfD-Kampagne zur Bundestagswahl („Bikinis statt Burkas“) ausgerechnet Thor Kunkel steckte. Roehlers Beteuerungen, dass er sich für „Subs“ interessiert habe, bevor der Autor „politisch“ wurde – als sei Kunkel eine Bombe, die nur darauf wartet, scharf gemacht zu werden –, sind wohlfeil. Nicht erst seit „Jud Süß“ kokettiert er mit rechten Äußerungen, sein ganzes Werk arbeitet sich im Grunde an der ’68er-Vergangenheit seiner Eltern Gisela Elsner und Klaus Roehler ab. Als Kunkel sich zuletzt lautstark darüber beschwerte, dass er aus dem Filmprojekt gedrängt wurde, sprang Roehler ihm bei. Der Verleih Constantin erwähnt Kunkel inzwischen nur noch im Kleingedruckten. Als Drehbuchautor wird Jan Berger genannt.

Berger hat von der Romanvorlage tatsächlich nur „Motive“ übernommen, wie es der Verleih offiziell formuliert, doch diese Differenzierung dient keineswegs der Entlastung des Regisseurs oder seines Drehbuchautors, sie entlarvt im Gegenteil, dass sich mit Kunkel und Roehler zwei Brüder im Geiste gefunden haben. „Herrliche Zeiten“ wird gewissen rechten politischen Kreisen reinlaufen wie ein 2018er AfD-Remix von „Subs“.

Kunkels Roman "Subs" wird zum Filmstart vom Manuscriptum Verlag wiederveröffentlicht

Nicht zufällig wird Kunkels Roman, damals bei Heyne erschienen, zum Filmstart vom Manuscriptum Verlag wiederveröffentlicht, zu dessen Autoren auch Akif Pirinçci und Alexander Gauland gehören. 2011 war von „Flüchtlingsströmen“ und „Wir schaffen das“ noch nicht die Rede. Roehler und Berger haben Kunkels „Gesellschaftssatire“ nun an den richtigen Stellen aktualisiert. In Europa ist die Sehnsucht nach einer starken Hand gerade en vogue. In Internet-Foren fabulieren Putin-Versteher, die CSU sucht den Schulterschluss mit der nationalkonservativen Fidesz in Ungarn. In diesem politischen Klima klingt die Idee, dass ein Ehepaar in einem Kölner Villenvorort einen Hofstaat mit Sklaven errichtet, plötzlich gar nicht mehr so abwegig.

Man kann darüber streiten, ob Kunkels Roman schon rechts ist oder nur Ideen vorverdaut, die ein rechtes Weltbild begünstigen, Roehler jedenfalls stellt das Bild mit den für ihn typischen grellen Überzeichnungen scharf. Ein Nachbar der Müller-Todts ist der Sohn eines arabischen Scheichs, gespielt von Yasin El Harrouk, der in seinem Garten mit Farbpistolen herumballert und Togapartys veranstaltet. „Wir scheißen darauf, was die Leue von uns denken“, meint er mit Blick auf das Arbeitslager im Garten der Müller-Todts, wo bulgarische Sklaven gerade einen Swimmingpool ausheben. Er selbst hat im Keller seiner Villa einen Raum, der sich als SM-Studio wie auch als Folterkeller benutzen lässt. An der Wand hängt ein Poster von Saddam Hussein. „Wir sind Männer, die sich nicht dafür schämen, dass ihr Väter grausame Eroberer waren.“ Die Figur des Nachbarn Thani, den es bei Kunkel nicht gibt, ist in „Herrlichr Zeiten“ viel instruktiver als Bartos, weil Berger und Roehler ihm die Sätze aufschreiben, die in „Subs“ nur zwischen den Zeilen als böse Vorahnung standen. Über Deutschland sagt Thani, es sei „ein Land von Schwuchteln, regiert von einer Frau, die ’Mutti’ genannt wird.“ Pegida-Slang aus dem Mund eines „Nafri“ ist natürlich starker Tobak, aber Roehler hält sich immer eine Hintertür offen. „Den Menschen mangelt es an Gepür für Ironie“, lässt er Bartos einmal zu Claus sagen. Ein feiner Sinn für Humor ist Roehlers Sache allerdings nicht.

Tatsächlich ähnelt die Methode von „Herrliche Zeiten“ über weite Strecken den Kommunikationsstrategien der AfD. Erst Lärm machen und Ungeheuerlichkeiten in die Welt posaunen - und dann mit fadenscheinigen Beschwichtigungen das Recht auf Satire einfordern. Aber gesagt ist gesagt. Es steht jedem frei sich aus „Herrliche Zeiten“ sein Lieblingszitat herauspicken.

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