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Kultur: Hitlerchens Rheinfahrt

Dachbodenschätze: Das Stadtmuseum Bonn zeigt den Diktator ganz privat

Vor einigen Jahren wurden auf einem Dachboden in Bonn-Rüngsdorf 400 Schwarzweiß-Negative eines verstorbenen Hobby- Fotografen gefunden. Als man sie entwickelt, zeigen die Bilder Adolf Hitler und andere Nazi-Größen bei Besuchen im noblen „Rheinhotel Dreesen" am Rheinufer von Bad Godesberg – und sie tun dies auf ungewöhnliche Weise. Denn anders als auf den oft dramatisch inszenierten offiziellen Fotos, die Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann der Nachwelt zugemutet hat, sind Theo Stölzels Aufnahmen durchweg Schnappschüsse, die den faschistischen Diktator in privaten Augenblicken einfangen. Über 70 Mal hielt sich Hitler seit 1926 im Rheinhotel auf, zur Erholung, aber auch zu politischen Treffen. Zwischen 1933 und 1936 geriet er Stötzel mehrmals vor die Kamera.

Die Bilder dokumentieren verschiedene Arbeitstreffen, die Adolf Hitler und hohe NS-Funktionäre im Hotel zusammenführten. In Konferenzpausen und während einer Schiffstour auf dem Rhein hatte Stölzel offenbar Gelegenheit, sich der Nazi-Elite in ungezwungener Atmosphäre zu nähern. Es seien allesamt „kein Propaganda-Fotos", beteuert der Organisator einer Ausstellung im Bonner Stadtmuseum, Horst-Pierre Bothien, die den Privat-Schatz jetzt der Öffentlichkeit präsentiert. Auf einem Foto sieht man, wie Hitler sich gerade in Pose wirft, da sein persönlicher Fotograf Hoffmann ihn für die Nachwelt ablichtet. Auf einem anderen Bild kauert Hitler versunken auf einem Stuhl, während seine Mitarbeiter abseits stehen und ihm den Rücken zuwenden. Sonst im Zentrum des Geschehens, wirkt der Dikator hier wie eine Randfigur. Natürlich sei man sich der Problematik bewusst, sagt Bothien, „Aufnahmen von Männern in privat-beruflicher Atmosphäre zu veröffentlichen, die für den Terror des NS-Regimes hauptverantwortlich waren“. So erläutert im Begleitbuch der Ausstellung ein kritischer Kommentar die Entstehungsbedingungen der Sammlung.

Wie es dem Hobbyfotograf Theo Stötzel gelang, so dicht an den für seine Scheu bekannten Führer heranzukommen, kann auch Bothien nicht beantworten. Immerhin dürfte Stötzel davon profitiert haben, dass er den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß von seiner Gymnasial-Zeit in Bad Godesberg her kannte. Wahrscheinlich waren die beiden seither befreundet. Auch der Bad Godesberger Bürgermeister Alef sowie die Dreesens waren Stötzel persönlich bekannt und hatten ein großes Interesse daran, gemeinsam mit Hitler auf Fotos zu erscheinen.

Das seit 1894 als noble Herberge dienende „Rheinhotel Dreesen“ verschweigt heute seine historische Verbindung zu Hitler keineswegs. In Broschüren wie der zur Hundertjahrfeier wurden die Hintergründe von Hitlers Aufenthalten ausführlich erläutert, bis hin zur Belegungsliste der Zimmer, die der Hofstaat des Führers beanspruchte. Darüberhinaus wird über Hitlers Aufenthalte vornehm geschwiegen, um ihn nicht demonstrativ aus der langen Reihe von Prominenten, die in dem reizvoll gelegenen Haus Unterkunft bezogen, hervorzuheben. Greta Garbo und Charlie Chaplin logierten hier ebenso wie die Familie des letzten deutschen Kaisers, Michail Gorbatschow und etliche US-amerikanische, französische und britische Regierungschefs. In der Gästegalerie sei „dieser Mann namens Hitler“ nur eine Figur unter vielen gewesen, meint Hoteldirektor Schlicke.

Adolf Hitler am ,Deutschen Rhein’, bis 17.3. im Stadtmuseum Bonn.

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