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Kultur: Hochofenmusik

Mit den Brandenburgischen Sommerkonzerten auf Tour

Die Expeditionen mit dem Shuttlebus der Brandenburgischen Sommerkonzerte atmen den gemütlichen Charme von Kaffeefahrten – und sind doch auch in ihrem zwölften Jahr echte Entdeckungsreisen geblieben. Idyllen schaffen, ohne die Augen für die Wirklichkeit zu verschließen: Dafür konnte der samstägliche Ausflug nach Eisenhüttenstadt stehen. Der Weg in den verschlafen-schmucken historischen Stadtkern des Ortsteils Fürstenberg führt über hochwassergeschädigte Straßen. Vom backsteinern leuchtenden Kirchturm der ersten Konzertstätte, der Nikolaikirche, blickt man auf die Oder: Drinnen spenden Musiker und Publikum dann für die Elbe.

Frischen Wind statt musikalischer Rheumadecken bietet hier das Onslow-Ensemble mit dem Klavierquintett Op. 76 seines nspatrons Georges Onslow: Der 1784 geborene Franzose, der den steinigen Weg vom Geheimtipp zum Repertoire-Komponisten für Kammermusik mit langsamem aber festem Tritt zu gehen scheint, lässt in den letzten Satz einen heftigen „Coup de vent“ lautmalerisch hineinblasen. Ein dramatisches und harmonisch spannend konstruiertes Werk, das in Salon und Sommerfrische zu unterhalten weiß, ohne parfümiert zu wirken. Die Musiker gehen es mit zupackender Lust und konzentrierter Virtuosität an und stechen dabei sogar Franz Schuberts populäreres Forellenquintett aus, das sie allerdings auch etwas nachlässiger hinlegen.

Von Schuberts hellen Bächlein folgt der Transfer zum EKO-Stahlwerk, wobei der Kommentar eines Werkmitarbeiters der ersten Stunde zur rauhen Musikbegleitung zwischen rostenden Hochöfen und glänzenden Hightech-Hallen wird: Auch wer nichts von Gasometervolumen, Walzendruck und Brammen versteht, spürt das leidenschaftliche Crescendo in der Stimme des Führers nach Passieren des Werktors – und damit die Bedeutung des Arbeitgebers und Industriedenkmals für die kulturelle Identität der arg gebeutelten Region.

Auf dem echten roten Teppich, den der Hauptsponsor des Abends vor den musikbegeisterten aktiven wie berenteten Arbeitern der Faust und Stirn ausbreitet, schreitet man in die riesige Verpackungshalle, wo das Elite-Orchester (aus Musikern des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin zusammengesetzt) lockere Unterhaltungsmusik der Zwanziger- und Dreißigerjahre spielt. Das letzte Wort zum genius loci ist das zwar noch nicht, doch fertigen die Musiker die instrumentalen Stücke mit einer geschmeidigen Perfektion und einer hohen innerbetrieblichen Motivation, wie sie wohl der Firma EKO selbst nur bei ihren edelsten Blechen gelingen dürfte. Carsten Niemann

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