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Maul- und Clownseuche. Pennywise macht wieder Jagd auf kleine Kinder. "Es - Kapitel 2" kommt am 5. September in die Kinos.

© Warner Bros.

Kinofilm "Es - Kapitel 2": Horror ist hier nur die Langeweile

Der erste Teil des Remakes von Stephen Kings „Es“ war ein Riesenerfolg. Wäre der zweite bloß nie gedreht worden.

An Stephen King haben sich schon viele Regisseure versucht. Das hat mal mehr, mal weniger gut geklappt. Stanley Kubrick legte mit „Shining“ 1980 die Messlatte hoch, auch weil selten jemand so wahnsinnig blickte wie Jack Nicholson. Mary Lambert zeigte neun Jahre später mit „Friedhof der Kuscheltiere“, wie es eher nicht geht. Untote Katzen sind beim Lesen im Kopf eben gruseliger als auf Leinwand.

Als 2017 Andrés Muschietti den ersten Teil seines Remakes von „Es“ veröffentlichte, wurde der ein kommerzieller Riesenerfolg. Er gilt als der erfolgreichste Horrorfilm aller Zeiten, noch vor „Der Exorzist“. Nun kommt der zweite Teil in die Kinos, wieder schlägt der Grusel-Clown Pennywise seine scharfen, gelben Zähne ins Fleisch von arglosen Kindern in der Kleinstadt Derry.

Das Original von Andrew Lee Wallace stammt von 1990 und war trotz mancher Schwächen einer der besseren King- Filme. Mindestens als mutig zu bewerten war also die Idee Muschiettis, ein Remake zu produzieren. Film- und Buchvorlage brachten eine doppelte Fallhöhe mit sich. Wie sich zeigt, hätte der Regisseur es lieber beim ersten Teil belassen sollen. Aus drei Gründen.

1. Das bemühte Gruseln

Das große Talent Stephen Kings ist es, das Unvorstellbare vorstellbar zu machen. Zombie-Haustiere, Autos, die ihre Besitzer am liebsten tot sehen würden („Christine“) oder eben Clowns mit Reißzähnen – bei King lauert das Böse überall. King findet dafür die richtigen Worte, das ist eine Kunst. Eine andere ist es, diese Bilder aus dem Kopf auf die Leinwand zu bringen.

Im ersten Teil gelingt es Muschietti. Verlassene Häuser, dunkle Abwasserschächte – natürliche Angsträume – und mittendrin steht ein Clown in Renaissance-Kostüm und mit Reißzähnen. Das, gepaart mit Bill Skarsgards irrem Grimassenspiel, wenn er die Augen aufreißt, kichert und sabbert, ist purer Panikbrennstoff, der die reale Welt in eine Hölle verwandelt.

Der zweite Teil scheitert daran – wie schon Wallace’ Original. Pennywise nimmt nach und nach amorphere Gestalten an – die formlosen Biester sind eine bemühte Steigerung der Panik, aber eben so bemüht, dass sie nicht verfängt. Ein gruseliger Clown ist gruselig, eine gruselige Riesenspinne mit Clownsschminke ist einfach eine Spur zu viel. Das war im Original so, und ist auch mit moderner CGI-Technik nicht anders.

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2. Die verbrauchte Nostalgie

Teil 1 spielt Anfang der 90er, die Helden sind noch Kinder. Erste Liebe, Mobbing an der Schule, Freundschaften auf der Probe, Deine-Mutter-Witze und Nachmittage am See. Der Retro-Charme und die alltäglichen Fragen der Teenager (überzeugend gespielt) gaben dem Film die gelungene zweite Ebene eines Coming-of-Age-Dramas.

In der flauschigen Nostalgie-Wolke aus Erinnerungen an unbeschwerte Kindheitssommer mit Skateboards, Chucks und Arcade-Spielen hüllte sich der Zuschauer in wohliger Sicherheit, aus der Pennywise ihn dann mit seinen gelben Fingernägeln ins Dunkel zerrte.

Der zweite Teil nun spielt in der Gegenwart, die Kinder von damals sind erwachsen (nicht immer überzeugend gespielt), verdingen sich als Risikoanalysten und Drehbuchschreiber, haben prügelnde Ehemänner und nölende Ehefrauen. Als Pennywise wieder auftaucht, erinnert Mike, der als einziger in Derry geblieben ist, die Clique an ein altes Versprechen: Sollte der Clown jemals wieder auftauchen, kehren auch sie zurück, um endgültig Schluss mit lustig zu machen.

Unbeschwerte Jugend und Monsterwelt funktionierten als Kontrast. Die Tristesse des Erwachsenenlebens im zweiten Teil ist jedoch für sich schon eine trostlose Antithese zu früheren Tagen. Ohne Idylle, die gestört werden könnte. Ein mordender dummer August ist in dem Setting nur ein weiteres lästiges Problem, als wäre er ein verstopfter Abfluss oder eine aufgeschobene Steuererklärung.

3. Die langatmige Erzählstruktur

Es ist das Wesen von Remakes, dass die Überraschung für immerhin einen Teil der Zuschauer nicht mehr ihre größte Stärke ist. Bei der Fortsetzung eines Remakes ist das Publikum endgültig vorgewarnt. Der Regisseur ignoriert das, und statt sich ein Mittel dagegen zu überlegen, packt er bloß das abgewetzte Standardbesteck des Horrorgenres auf den Tisch.

Wenn in Derry jemand in einen Gullyschacht blickt, weiß der Zuschauer natürlich längst, dass gleich was Ungutes passiert. Zumal die dissonanten Streicher aus dem Off das unüberhörbar ankündigen. Damit es auch wirklich jeder begreift, zoomt die Kamera dorthin, wo in wenigen Sekunden totaaaaal überraschend was passiert. Man hätte auch eine Leuchtreklame mit der Aufschrift: „Bitte erschrecken in 3,2,1“ aufstellen können.

Durch die langatmige Erzählstruktur dämmert der Zuschauer allmählich weg. Denn wegen des Zeitsprungs von Teil 1 werden alle sieben Freunde einzeln in ihrem aktuellen Habitat vorgestellt, aus dem sie von Pennywise gerissen werden. Das wiederholt sich später im Film nochmal, wenn sie auf Pennywise treffen. Natürlich gibt es einen Schreckmoment, natürlich tötet Pennywise noch niemanden.

Andrés Muschietti bleibt so stur im erwartbaren Muster, dass man davon am Ende fast überrascht ist. Und im Kinosessel fragt sich der Zuschauer allmählich, ob die Hölle nun eine Kanalisation voller Horrorclowns ist oder doch eine endlose Wiederholungsschleife. Gruselige Vorstellung.

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