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Ein Abend mit Jonathan Lethem: Im Garten der Vergangenheit

Ein Abend mit Jonathan Lethem und Per Leo.

Wie gut für die Literatur, dass es Urgroßmütter mit verschlungenen Lebensgeschichten gibt! Und Großväter, an denen man sich abarbeiten kann. Das zeigte sich wieder einmal bei einem Verlagsessen, das zu Ehren der beiden Schriftsteller Jonathan Lethem und Per Leo in einem Kreuzberger Restaurant gegeben wurde.

Im Fall von Jonathan Lethem, der die nächsten Monate in der American Academy am Wannsee zu Gast sein wird, war es ein Foto, das ihn unter anderen auf die Idee seines neuen Romans „Der Garten der Dissidenten“ brachte. Das Foto galt als verloren und fand sich plötzlich wieder. Es zeigt Thomas Mann und wurde von Lethems Urgroßmutter geschossen, einer Frau, die Lethem als Kind nur „Omi“ nannte. Sie war Opernsängerin, flüchtete vor den Nazis aus Lübeck nach New York „in eine Wohnung“, wie Lethem dichtet, „die weniger ein Heim war als die Gedenkstätte eines verlorenen Lebens. Zwei Fenster mit Blick auf den Broadway ersetzten ein Haus, das in Lübecks Nobelviertel so weit oben lag, dass sich das Panorama der Trave als auch der Hügel vor einem erstreckte, und nebenan lag nichts Geringeres als das Familienhaus von Lübecks berühmtem Spross Thomas Mann, das Buddenbrookhaus.“

In Per Leos Debütroman, der den beziehungsreichen Titel „Flut und Boden“ trägt, steht eine Familie mit Nazivergangenheit im Zentrum des Geschehens. Ein Enkel beschäftigt sich obsessiv und auch „aus Liebe“, so der gelernte Historiker Leo, mit seinem Nazigroßvater.

Als man nach dem Essen das Restaurant verließ, fragte man sich allerdings, ob die Leben der Leos und Lethems, also die von vielen von uns, dereinst einmal auch als Stoff für Romane nachwachsender Generationen taugen. gbar

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