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Kultur: In Oberhausen stirbt "Jedermann" jetzt als Großinvestor auf einer Zechenhalde

Aber nächstes Jahr - hört man jeden Sommer in Salzburg - soll der "Jedermann" dann mal ganz anders werden, richtig modern. Doch egal ob von Curd Jürgens, Gert Voss oder Ulrich Tukur gegeben, Hofmannsthals "Spiel vom Sterben des reichen Mannes" bleibt, was es ist: Grand Guignol für die gebildeten Stände.

Aber nächstes Jahr - hört man jeden Sommer in Salzburg - soll der "Jedermann" dann mal ganz anders werden, richtig modern. Doch egal ob von Curd Jürgens, Gert Voss oder Ulrich Tukur gegeben, Hofmannsthals "Spiel vom Sterben des reichen Mannes" bleibt, was es ist: Grand Guignol für die gebildeten Stände. Jedenfalls in Salzburg. In Oberhausen jedoch, wo man die Faust der Moderne seit jeher im Nacken spürt, hat man das Stück nun konsequent verheutigt: Jedermann ist ein Großinvestor, der auf der Zechenhalde einen Freizeitpark bauen will.

Das ist fein bezüglich: einmal, weil es auf die vielfältigen Versuche anspielt, aus dem Land der Arbeit ein Spaßquadrat zu machen, zum andern, weil das Theater Oberhausen zum Zwecke des "Jedermann"-Spiels eben dorthin gezogen ist: auf die Halde. Es hat Ulrich Greb mit der Sache beauftragt, seinen Spezialisten für industriekritische Outdoor-Projekte. Der hat das von Hofmannsthal gewählte Pseudo-Frühneuhochdeutsch zugunsten eigener Dichtkunst fallen gelassen. Hat das Personal der Jetztzeit angepasst, samt Bankdirektor, TV-Reporterin und Pullman-Limousine. Hat den lieben Gott gestrichen und lässt den Teufel siegen. An Stelle von "Werke" und "Glaube" begleiten die Damen "Neid", "Stolz" und "Geiz" Jedermanns letztes Stündlein. Die Fabel aber ist dieselbe: Auch den Mächtigsten holt der Tod.

Doch derart von allem Sakralen und Zeremoniellen bereinigt, ist die Story platter Schulfunkstoff, schneidend nur der Wind, der in 160 Metern Höhe, auf einer Million Tonnen Abraumgestein, durch das Amphitheater fegt, das die Ruhrkohle AG ins Gipfelplateau der Halde Prosper Haniel gebaut hat. Hier, hoch über den letzten Feuern des Ruhrpotts, wo vor zwölf Jahren schon der Papst segnend weilte, erschallt nun der berühmte Ruf: "Jedermann!" Doch warum sollte ein Global Winner, ein Protagonist der Epoche der Machbarkeit, den Tod akzeptieren? Egal, es gilt kein Aufschub, selbst das Arbeitsplatzargument zählt nicht, niemand will sich für den Tycoon opfern - doch: eine, die Reporterin. Sie wird von dem Todgeweihten gemeuchelt und dabei gefilmt. War das der Grund? Es bleibt kraus. Jedermann gegenüber aber versagt der Tod. Am Ende übernimmt der Teufel das Töten, damit er Jedermanns Geschäfte fortführen kann.

Wenn das keine Botschaft ist! Sie macht wohl niemandem Angst. Zu nah ist die Sprache am Alltagsjargon, zu wenig sind, außer Jedermann (Felix Vörtler), die Figuren ausgebildet, als dass Dramatik entstünde, Nachdenklichkeit gar; Licht- und Videoregie, Böllerschlag und Girlie-Chor ersetzen sie nicht. Was nehmen wir mit hinaus in die Lavalandschaft der Halde, in deren schwarzen Pfützen sich der Mond bricht? Dies: Dass nicht jede Modernisierung eine Verbesserung ist.

Ulrich Deuter

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