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Kultur: „Jetzt begreifen wir die Begeisterung“

Vor 25 Jahren schrieben Ingo Insterburg und Karl Dall mit „Insterburg & Co.“ Blödelgeschichte – jetzt treten sie wieder auf

Herr Dall, Herr Insterburg, in Berlin wird diskutiert, ob man die Kochstraße in RudiDutschke-Straße umbenennen soll. Was halten Sie davon?

Dall: Es wäre besser, eine Straße am oberen Ende des Ku’damms umzubenennen, wo der SDS, der Sozialistische Deutsche Studentenbund, seinen Sitz hatte und Dutschke angeschossen wurde. Ich habe anderthalb Jahre in Halensee gewohnt und Dutschke damals im Waschsalon getroffen. Wir haben vor der rotierenden Trommel gestanden und uns über unsere Unterhosen unterhalten, so genannte „Windjammer“-Modelle, die ursprünglich weiß waren und mit jedem Waschen immer grauer wurden. Wir waren uns einig: Scheiß-Waschmaschinen, Scheiß-Kapitalismus, Scheiß-System.

Insterburg: Zum Glück gibt es schon eine Straße in Berlin, die mich ehrt: die Insterburgallee, vornehme Gegend im Westend, aber leider eine etwas kurze Straße.

In einer Tagesspiegel-Kritik von 1972 wurden „Insterburg & Co.“ als „Außerparlamentarische Opposition des Showgeschäfts“ gewürdigt. Fühlten Sie sich als Teil der Studentenbewegung?

Dall: Nein, das war keine allzu innige Beziehung. Die Hardcore-Achtundsechziger haben uns nicht sonderlich geschätzt, weil wir denen zu unpolitisch waren.

Insterburg: Wir sind mal in den Republikanischen Club eingeladen worden und dachten: Toll, da passen wir gut hin, wir sind ja auch links angehaucht. Man hat uns gnadenlos ausgepfiffen. Unsere einzige politische Tat war, dass wir am 11. April 1968, als das Attentat auf Dutschke verübt worden war, die Liveübertragung eines Auftritts durch den SFB abgesagt haben. Eine Solidaritätsbekundung.

Wie haben Sie sich eigentlich gefunden?

Dall: Ich kellnerte in einer Kneipe, der „Malkiste“ in Kreuzberg, meine Saufschulden ab, und Ingo schoss nachts um drei rein. Wir plauderten, und er lud mich ins „Reichskabarett“ ein.

Insterburg: Da gab es jeden Freitag eine Nachtvorstellung. Jeder, der wollte, durfte auf die Bühne. Am Anfang haben Schobert & Black, Ulrich Roski, Reinhard Mey und Katja Ebstein mitgemacht. Dann blieben nur Jürgen Barz und ich übrig. Zum Glück stießen Peter Ehlebracht und Karl zu uns. Beim dritten Auftritt war das Haus voll, und der Geschäftsführer bot uns eine richtige Premiere an. Wir hatten noch keinen Namen, aber der Tagesspiegel titulierte uns nach dem rauschenden Erfolg als „Insterburg & Co.“ Es war zwangsläufig, dass wir uns finden mussten. Wie vier Schafe, die man in einer Rinderherde ausgesetzt hat.

Am Anfang war „Insterburg & Co.“ bloß ein Feierabendprojekt?

Dall: Sozusagen. Ich bin gelernter Schriftsetzer, habe bei der „Ostfriesen-Zeitung“ gearbeitet und in Berlin bei Akzidenzsetzereien. Das habe ich parallel weitergemacht, bis wir 1968 „Quartett im Bett“ drehten, unseren ersten Kinofilm. Da konnte ich den Job an den Nagel hängen.

Insterburg: Ich studierte Kunstpädagogik. Karl war der Einzige von uns, der einen richtigen Beruf hatte. Und er besaß einen klapprigen alten VW-Käfer und ein Telefon.

Dall: Das prädestinierte mich, das Management der Gruppe zu übernehmen. Ich war geschäftstüchtig und merkte bald, dass „Insterburg & Co.“ ein Produkt war, das sich wie Persil verkaufte.

Insterburg: Wir anderen drei haben das gar nicht richtig gemerkt. Wenn Karl verkündete: Wir haben einen Fernsehauftritt, jubelten wir: prima. Dass er das organisiert hatte, ist uns nicht bewusst gewesen. Schönen Dank nachträglich.

Fanden Sie sich selber immer komisch?

Dall: Doch. Ich finde mich zwar manchmal ein bisschen ätzend, aber meist so unterhaltsam, dass ich selbst – wenn ich nicht so geizig wäre – Geld ausgeben würde, um meine Vorstellung zu besuchen.

Insterburg: Vor kurzem habe ich eine über dreißig Jahre alte Insterburg-Show im Fernsehen gesehen. Das kam mir völlig fremd vor, ich hatte alles vergessen. Aber es war witzig, jetzt begreife ich die Begeisterung des Publikums.

Diese Begeisterung ist für Nachgeborene bisweilen nur schwer nachvollziehbar. „Insterburg & Co.“ haben Knittelverse aufgesagt, auf merkwürdigen Instrumenten Töne produziert und Lieder gesungen, die zum Beispiel „Ich koch’ mir eine Kartoffelsuppe“ hießen. Was ist daran witzig?

Dall: Das Lied war kritisch gemeint. Es besteht aus drei Zeilen: „Ich koch’ mir eine Kartoffelsuppe / Und schlaf’ dann mit meiner Puppe / Denn ich bin ein Deutscher.“ Tolles Spiel mit Nationalklischees, oder? Damals gab es viele ernsthafte Liedermacher, die ihren Liedern lange Erklärungen vorausschickten. Also haben wir ein „Baumwollpflanzerlied“ geschrieben, das exakt 35 Sekunden dauerte, aber zehn Minuten lang von uns erläutert wurde. Die Ansagen wurden zu unserem Programm.

Was war die Botschaft von „Insterburg & Co.“: die Anarchie des Bühnenchaos?

Insterburg: Diese Qualität hatten wir einer Chinesin zu verdanken, die ich mal kennen lernte. Sie hieß Chi, Vorname: Anna. Anna Chi war das.

Kennen Sie die größte Angst des Komikers: auf der Bühne zu stehen und niemand lacht?

Insterburg: Im Sommer gehe ich monatelang auf Tournee, vorher frage ich mich immer: Wieso sollen die Leute eigentlich über mich lachen? Aber wenn der Auftritt dann beginnt und ich sage: „Guten Abend, ich freue mich“, lachen die Leute schon. Ein Albtraum, der vor jeder Premiere zurückkehrt: Ich spiele vor fünfzig Zuhörern ein Lied auf der Geige, und nachher bin ich alleine.

Dall: Das muss dir wirklich mal passiert sein, oder?

Insterburg: Nein, aber es kommen manchmal nur wenige. Da sage ich den Leuten dann, sie sollen sich hinlegen. Jeder besetzt drei, vier Sitze, und schon sieht es aus wie ausverkauft.

Dall: Bei mir liegen sie sowieso flach vor Lachen.

Warum haben sich „Insterburg & Co.“ 1979 getrennt?

Insterburg: Wegen Tourneemüdigkeit. Wir hatten bis zu 220 Auftritte im Jahr, das Herumreisen hat uns geschlaucht. Manchmal sind wir richtig lustlos auf die Bühne gegangen.

Dall: Außerdem hatten wir genug vom Gruppenzwang. Ich hatte Kinopläne, habe Filme gedreht wie „Das verrückte Strandhotel“ oder „Sunshine Reggae auf Ibiza“, die haarscharf am Oscar vorbeischrammten. Jürgen Barz schreibt Drehbücher, Peter Ehlebracht hat einen Afrika-Film gemacht. Die beiden wollen nicht mehr auf die Bühne, eine Insterburg-Reunion wird es nicht geben.

Sie treten zum ersten Mal nach 25 Jahren wieder zusammen auf. Was erwartet die Zuschauer?

Dall: Alte Hits und neue Nummern. Wir haben wochenlang geprobt und sind sogar bereit, wenn die Leute es hören wollen, „Diese Scheibe ist ein Hit“ und „Ich liebte ein Mädchen“ zu singen.

Das Gespräch führte Christian Schröder.

Ingo Insterburg , 70, und Karl Dall , 64, sind Pioniere der deutschen Spaßgesellschaft. Der abgebrochene Kunststudent Insterburg und der Schriftsetzer Dall hoben 1966 mit Jürgen Barz und Peter Ehlebracht das Ulk-Quartett Insterburg & Co. aus der Taufe, das mit Bänkelgesängen und schrägen Reimen im Dunstkreis der Studentenbewegung Furore machte. Die Gruppe trennte sich 1979. Insterburg tingelte danach über Kleinkunstbühnen, Dall wurde mit Shows wie „Dall-As“ und „7 Tage – 7 Köpfe (beide RTL) zur „ Kultfigur für Anti-Fernseher “ („Welt“). Ingo Insterburg und Karl Dall treten mit einem neuen Programm am Montag und Dienstag im Tränenpalast auf (20 Uhr).

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