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Kultur: Kampf gegen den Terror: Das Bild dahinter

Pakistan ist dabei, immer mehr in die Rolle des Schlüsselstaates in dem sich aufbauenden Konflikt mit Afghanistan zu rutschen. Denn als langjähriger engster Verbündeter der Taliban weiß man über die Extremisten und ihr Land so gut Bescheid wie niemand sonst.

Pakistan ist dabei, immer mehr in die Rolle des Schlüsselstaates in dem sich aufbauenden Konflikt mit Afghanistan zu rutschen. Denn als langjähriger engster Verbündeter der Taliban weiß man über die Extremisten und ihr Land so gut Bescheid wie niemand sonst. So hatte Islamabad zwei seiner besten Taliban-Kenner geschickt, den stellvertretenden Geheimdienstchef General Mehmood Ahmed und den Diplomaten Aziz Khan, die den so genannten Koranschülern ein Ultimatum von 72 Stunden stellten, um den gesuchten Terroristen Osama bin Laden auszuliefern. Die Taliban haben es nicht getan, sondern stets wiederholt, es sei ein Gebot der Ehre, Gäste zu beschützen. Deshalb auch stellen sie sich offenbar auf einen Gegenschlag ein, daran konnte wohl auch der Besuch einer pakistanischen Delegation am Montag nichts ändern. Gestern schickten die Taliban 25 000 Mann Verstärkung an die pakistanische Grenze, schlossen den afghanischen Luftraum und drohten, jedes Flugzeug abzuschießen.

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Umfrage: Haben Sie Angst vor den Folgen des Attentats? Fotos: Die Ereignisse seit dem 11. September in Bildern Chronologie: Die Anschlagserie gegen die USA Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 gilt als der Hauptverdächtige Pakistan hat nun nicht nur die Grenzen zu Afghanistan geschlossen, sondern hat auch seine zahlreichen nuklearen Installationen unter Sonderschutz gestellt, die Armee in Alarmbereitschaft versetzt und zusätzliche Polizei- und Paramilitäreinheiten in die Gebiete entlang seiner 2000 Kilometer langen Grenze entsandt. Abgeriegelt wurden auch die riesigen afghanischen Flüchtlingslager, weil hier viele Parteigänger der Taliban vermutet werden. Über 1,2 Millionen Flüchtlinge hausen in diesen Lagern, eine weitere Million lebt überall im Lande verstreut, an die 300 000 allein in der Zwölfmillionenmetropole Karachi, wo in den letzten Jahren fast 10 000 Menschen bei Terroranschlägen ums Leben gekommen sind.

Seit der pakistanische Militärherrscher den USA auf Druck "jedwede Unterstützung" hat zusagen müssen, ist Pakistan in seiner neuen Schlüsselrolle nicht nur zum engen Verbündeten der USA geworden, es entwickelt sich auch zu einem Pulverfass. Denn die extremistischen Islamisten haben zum Heiligen Krieg gegen die Regierung aufgerufen, falls diese mit den USA kooperiere. Mehr als 30 fundamentalistische Gruppierungen verkündeten am Montag, sie würden einen Angriff auf Afghanistan als einen Angriff auf Pakistan betrachten und dann den Bürgerkrieg beginnen. Grafik: Länderkarte mit Hauptstädten Präsident Bush hatte General Pervez Musharraf als "sehr kooperativ" bezeichnet, nachdem sich dieser bereit erklärt hatte, den Amerikanern seine unschätzbar wertvollen Geheimdienstinformationen zu Verfügung zu stellen, Überflugrechte zu gewähren und logistische Hilfe zu leisten. Nur Bodentruppen werde Pakistan nicht stellen, stellte Außenminister Abdus Sattar am Montag noch einmal klar.

In diesem Zusammenhang spielen auch die Verbindungen zur afghanischen Nordallianz eine Rolle, die als einzige innerhalb Afghanistans noch militärischen Widerstand gegen die Taliban leistet und ebenfalls als wertvoller Partner der USA gilt. Nach den Anschlägen in den USA scheint nun nach Angaben des US-Geheimdienstes CIA sicher zu sein, dass das Selbstmordattentat auf Achmed Schah Massud, den legendären Führer der Opposition, ein ausgeklügelter Teil der Gesamtattacke war. Denn Massud wurde zwei Tage vor dem Angriff auf Amerika von zwei als Journalisten getarnten Algeriern aus dem Wege geräumt. Damit starb der wichtigste Mann, auf den die Amerikaner bei zu erwartenden Gegenschlägen innerhalb Afghanistans hätten zurückgreifen können.

Die pakistanischen Fundamentalisten, die nun zum Heiligen Krieg gegen ihre eigene Regierung und gegen die USA blasen, finden uneingeschränkten Rückhalt in der Bevölkerung. Es ist schwer, außerhalb der Mittel- und Oberschicht auch nur einen Menschen zu finden, der nicht für die Taliban oder Osama bin Laden wäre. Das war früher schon so und ist es jetzt erst recht. Der Anti-Amerikanismus ist stark und das Misstrauen gegenüber dem Westen groß.

Schon der Militärdiktator Zia ul-Haq, der 1988 bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz ums Leben kam, stieß bei vielen Menschen auf keinen Widerstand, als er begann, das Schicksal Pakistans auf fatale Weise mit seinem radikalen Islamisierungsprogramm zu bestimmen. Niemand fand auch etwas dabei, dass ausgerechnet unter der sich so liberal gebenden Benazir Bhutto das Monster Taliban in den Koranschulen geschaffen wurde. Der extreme Islam hatte schon immer Konjunktur diesseits und jenseits der Grenze, und die in dieser Gesellschaft ausschlaggebenden "brüderlichen" Bande werden eifrig gepflegt.

Seit der Gründung Pakistans haben alle Führer versucht, sich Afghanistan untertan zu machen, um dem drohenden Paschtu-Sezessionismus zuvorzukommen und strategische Rückfallpositionen im Falle eines indischen Angriffs zu gewinnen. Ein absolutes Tabu war es freilich, darüber öffentlich zu sprechen. Es geschah nur ein einziges Mal und zwar durch den Diktator Zia ul-Haq - in seinem letzten Interview, und zwar mit der Autorin dieses Textes.

Zum Abschied, nach fünf Stunden Gespräch, gab es als Geschenk einen schweren Bildband von Pakistan, in dem bereits seine Visitenkarte so steckte, dass er den Band an der richtigen Stelle aufschlagen konnte. "Was ist das?", fragte er. "Der Khyber-Pass". Er: "Und dahinter?" - "Afghanistan". Zia strahlte: "Ist es nicht wunderbar? Eines Tages wird all das unser sein."

Gabriele Venzky

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