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Kata Legradys Motiv „Kindersoldat“ von 2009.

© Privatbesitz

Kata Legrady im Käthe-Kollwitz-Museum: Bonbonbomben

Explosiv: Die Ausstellung „Mahnung und Verlockung“ der ungarischen Künstlerin Kata Legrady im Käthe-Kollwitz-Museum.

Das Grauen lockt mit Naschwerk. Auf Handgranaten kleben Smarties. Patronen sind mit Zuckerguss-Sternchen verziert. Wenn Kata Legrady, die diese Objekte geschaffen hat, etwas mit der Expressionistin Käthe Kollwitz gemeinsam hat, dann das: eindeutige Bilder zu schaffen für den Schrecken des Krieges – oder vielmehr dagegen. „Mahnung und Verlockung“ heißt die Schau, die die ungarische Künstlerin zum 100. Jahrestag des Weltkriegsbeginns in einen Dialog mit der deutschen Grafikerin und Bildhauerin treten lässt.

Gudrun Fritsch, langjährige Kuratorin des Käthe-Kollwitz-Museums, hat die beiden zusammengebracht. Die seit Frühjahr amtierende neue Direktorin des Hauses, die Kunsthistorikerin Iris Berndt, kann sich über diese für das kleine Privatmuseum beeindruckend aufwendige und frische Gegenüberstellung nur freuen, die noch vor ihrem Amtseintritt eingetütet wurde. Denn die Schau wirkt wie ein energiegeladener Neuanfang. Berndt hatte angekündigt, Käthe Kollwitz noch mehr als bisher mit zeitgenössischen Künstlern zu konfrontieren. Legrady und Kollwitz sparen konkrete Kriegsdarstellungen aus und fragen: Wer sind die Opfer? Während die deutsche Expressionistin mit ihren hohlwangigen und schutzsuchenden Buben und Mädchen die tägliche Not der Kleinsten schildert, kritisiert Kata Legrady die frühe politische Indoktrination. 4000 Kindersoldaten wurden im vergangenen Jahr weltweit von Armeen eingesetzt, heißt es in einem aktuellen Bericht der Uno.

Gasmaske mit Mickey-Maus-Antlitz

Zudem gibt es aber auch einen biografischen Hintergrund: Kata Legrady wurde 1974 im ungarischen Barcs geboren. Sie ist mit Militarismus aufgewachsen und zur Sportschützin ausgebildet worden. Da wurde eine Generation herangezogen, die ihr Land verteidigen können sollte. So zeichnet Legrady mit Kreide Gewehrmündungen auf alte Schultafeln und fotografiert Gasmasken mit Mickey-Maus-Antlitz, die die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg für Kinder entwickeln ließen. Legradys Pop-Art-Motive, die kürzlich auch das ZKM in Karlsruhe zeigte, wiederholen sich in Variationen. Auch da ähnelt sie Kollwitz, bei der sich einige Motive wie das der Mutter, die ihren gefallenen Sohn beweint, häufig wiederholen. Legradys kühler, zynischer Blick balanciert Kollwitz’ hoch emotionalen Zugriff aus. Im Dachgeschoss ist eine tonnenschwere, pinkfarbene Bombe ausgestellt, als sei sie geradewegs vom Himmel gefallen. Diese Ausstellung ist explosiv.

Käthe-Kollwitz-Museum, Fasanenstr. 24, bis 9.11., tägl. 11-18 Uhr, Di 11-21 Uhr. Katalog € 24,95

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