
© Gert Krautbauer fuer Tele5
„Keine Lust mehr“ – Serdar Somuncu verlässt die Bühne: Wer aufgibt, der scheitert
Genervt von den Reaktionen auf den „Scheiß-Social-Plattformen“ geht Serdar Somuncu auf Abschiedstournee. Doch als Verbalradikaler sollte er darauf eigentlich gefasst sein.

Stand:
Die Herbsttournee wird die letzte des Kabarettisten Serdar Somuncu sein. Zur Begründung sagte er im „Welt“-Interview: „Es sind die Umstände, die mich nerven. Ich habe keine Lust mehr, auf eine Bühne zu gehen, während im Publikum Leute sitzen, die alles mitschreiben und sofort auf einer Scheiß-Social-Plattform posten, wenn sie Erregungspotenzial erkennen.“
Klar, wer sich heute wo auch immer öffentlich äußert, geht ins Risiko. Jeder Satz lässt sich aus jedem Kontext herausreißen, drehen und bis zur Unkenntlichkeit, sprich ins Gegenteil verdrehen. Der Urheber kann dann sehr hilflos dastehen, er muss klarstellen, richtigstellen, nicht selten, dass das Blame-Game zu seinem Nachteil ausgeht.
Einer wie Serdar Somunco weiß das. Er hat es erfahren und in seinem Fall war er und kein anderer der Auslöser für berechtige wie unberechtigte Kritik. Sexistisch hat er sich geäußert, seine „Hitlerei“ lud mindestens zum Missverstehen ein, im „Welt“-Interview schimpft er – sehr fein übrigens – auf „eine Scheißregierung“, auf „eine Außenministerin, die sich durch die Weltgeschichte stottert“.
Serdar Somuncu: Auf einen Verbalradikalen soll man nicht reagieren?
Darauf soll niemand reagieren und wenn dann so, dass Somunco nicht von der Bühne abtritt? Dieser Kabarettist ist ein Verbalradikaler, ein Grobformulierer. Was ihm vordringlich in den sozialen Medien geschieht, geschieht ihm zu Recht. Er erntet, was er sät.
Ein Lautsprecher weniger, was soll’s? Aber in seinem Fall steckt mehr. Somuncu übt eine öffentliche Profession aus, er arbeitet in der Öffentlichkeit und er lebt von der Öffentlichkeit. Das weiß der 54-Jährige und er wird sicherlich andere Wege kennen und wählen, um seine Ansichten (mehr) und Einsichten (weniger) zu verbreiten.
Weitermachen, weiterkämpfen, weiterrotzen? Ja, Serdar Somuncu muss ermutigt werden. Wenn er die Bühne räumt, werden sich andere ermutigt fühlen und sich im Triumph aalen. Der Somuncu ist weg, hurra! Was Somuncu im Kern zur Begründung nennt, lappt schwer ins Selbstmitleidige rüber. Für Kabarettisten eine ganz und gar merkwürdige, verkehrte Haltung.
Sagen wir es so: Serdar Somuncu war und ist schwer auszuhalten. Aber weil er eine Zumutung ist, muss er sich mehr zumuten, als er sich zuzumuten bereit ist. Ein Rückzug von der Bühne ist ein Sieg seiner Missversteher, Gegner, Feinde – und eine Niederlage für Serdar Somuncu.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: