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„Engel des Bösen“: Eine Gangsterkarriere: Der schlimme René

Banküberfälle, Einbrüche, Entführungen, Morde, schöne Frauen, harte Drogen und PS-starke Auto - wenn das kein Stoff für rasanten Kintopp ist.

Renato Vallanzasca war ein wilder Mann. Banküberfälle, Einbrüche, Entführungen, Morde, schöne Frauen, harte Drogen und PS-starke Autos – in den siebziger und frühen achtziger Jahren ließ es der Mailänder Verbrecher heftig krachen. Er landete im Knast, brach mehrfach aus und wurde wieder eingebuchtet. „Der schöne René“, so sein Spitzname, bekam massenweise Post von weiblichen Fans ins Gefängnis. Hochzeit feierte er hinter Gittern, wobei er seinen Ex-Erzfeind und Gangsterkonkurrenten Francis Turatello zum Trauzeugen machte. Heute sitzt Vallanzasca viermal lebenslänglich ein – dazu kommen 260 Jahre Haft. Er ist 60 Jahre alt. Wenn das kein Stoff für rasanten Kintopp ist.

Das dachte sich wohl auch Regisseur Michele Placido, der in Deutschland als Schauspieler durch die 80er-Jahre-Miniserie „Allein gegen die Mafia“ bekannt wurde. Aber ist sein Biopic über das exzessive Leben des Banditen tatsächlich ein biografischer Film? Mit den Referenzen an die Gangsterfilme Martin Scorseses, den Versatzstücken des PoliziottoGenres, dem lauten Popmusikeinsatz und den Märtyrerbildern des Schmerzensmannes Vallanzasca zielt der Film eher auf fiktionale Mythisierung.

Ein Trend offenbar: Nach dem RAF-Terroristen Andreas Baader, dem französischen Supergangster Jacques Mesrine („Public Enemy No. 1“) und dem Topterroristen Carlos wird nun ein weiterer Schwerverbrecher der siebziger Jahre filmisch geadelt. Doch anders als JeanFrancois Richet und Olivier Assayas, die sich für ihre fulminanten Porträts von Mesrine und Carlos um die fünf Stunden Zeit nahmen, hechelt Placido die Story in 125 atemlosen Minuten durch.

Das Ergebnis ist eher enervierend. Statt Sinn für Tempo und Timing regiert die wilde Aneinanderreihung von Effekten. Die Darsteller schreien und fluchen permanent wie neapolitanische Maurermeister – und agieren oft haarscharf am Schmierentheater vorbei. Kim Rossi Stuart als Vallanzasca spielt, als sei er Gast auf einem Grimassenball. Selbst der nachsynchronisierte Moritz Bleibtreu in einer Nebenrolle wirkt in dieser Nummernrevue wie neben der Spur.

Erst gegen Ende, wenn der Film ein wenig zur Ruhe kommt, interessiert Placido sich für die nicht unwesentliche Frage, was diesen Vallanzasca eigentlich antreibt. Anders als etwa Salvatore Giuliano, der Robin-Hood-artige „Sizilianer“, taugt Vallanzasca nicht zum Volkshelden. In „Engel des Bösen“ ist er bloß ein selbstverliebter Hedonist.

Cinemaxx, Cinestar Treptower Park, Colosseum, Kant, Moviemento

Julian Hanich

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