zum Hauptinhalt

''Für den unbekannten Hund'': Hau weg den Teufel

Das Actiondrama „Für den unbekannten Hund“ ist sowas wie Hardrock gegen rechts. Irgendwo in der ostdeutschen Provinz tötet Protagonist Bastian (Lukas Steltner) einen Stadtstreicher. Was folgt, ist ein wilder Psychotrip.

Die Leinwand in Brand stecken, um gegen Brandstifter zu protestieren: eine seltsame Methode. Aber man kann seine Fantasie daran entzünden, denn die Regiebrüder Dominik und Benjamin Reding legen Lunten der besonderen Art.

Ein Messerstich, eine Tankstelle explodiert, ein Inferno, irgendwo in der ostdeutschen Provinz. Der Totschläger heißt Bastian, ist Betonbauer aus Mecklenburg (gespielt vom Breakdancer Lukas Steltner), wird nach der Tat von seinem Kumpel erpresst und gerät an eine Gruppe von Wandergesellen. Die nehmen ihn mit auf die Reise: Bußgang, Sühne-Abenteuer in einer hässlichen, hitzigen Welt.

Wandergesellen. Sie tragen historische Kluft, bilden Bruderschaften, benutzen seltsame Wörter, sind drei Jahre und einen Tag unterwegs – bei strengem HandyVerbot. Gut 500 wandernde Handwerker gibt es derzeit im deutschsprachigen Raum. Deren Alltag in nasskaltem Winterwetter hat Bastian gerade noch gefehlt. Sein Freund und Mentor, der Steinmetzgeselle Festus (kauzig: Rapper Sascha „Ferris MC“ Reimann) weiht ihn ein in die Rituale und die ruppige Sprache der Tippelbrüder, in der die Bezeichnung „dreckiger, tobender Hundesohn“ einer Liebeserklärung gleichkommt. Ein Mädchen gibt es auch, Leila heißt sie und war einst die Steinmetzrockerbraut. Bis Schmiege, Festus’ Gefährte aus alten Zeiten, bei einer Tankstellenexplosion ums Leben kam.

Der Freund, das Opfer, der Täter: Festus, Schmiege und Bastian sind auf tragische Weise miteinander verbunden. Als Bastian seinen eigenen Teufel auszutreiben beginnt, breakdanct er im magischen Kreis. So gipfelt das Schuld-und-SühneActiondrama im Kraftakt der Reue. Und des Verzeihens.

Nach ihrem Erstling „Oi!Warning“ über die Freundschaft zwischen einem Punk und einem Skinhead und nach einem in der Hip-Hop-Szene angesiedelten „Tatort“ setzen die Reding-Zwillinge, Jahrgang 1969, erneut auf Stil-Anarchie. Ihr ohne Fernsehbeteiligung selbst produziertes Roadmovie ist ein wilder Psychotrip, eine extrem explosive Mischung: rüde Typen, wüste Schnitte, Knallfarben und Pyromanie, Mittelalter und Apokalypse, Händel und Heavy Metal.

Hardrock gegen rechts: Das scheppert, schreit und flüstert auch mal ungelenk. Die virtuose Schmuddelästhetik und Querfeldein-Dramaturgie bringt es mit sich, dass man der Story manchmal kaum folgen kann: Gedreht wurde „Für den unbekannten Hund“ in sechs Bundesländern an neunzig Sets. Und manchmal wird man schier erdrückt von der Wucht der Gefühle, wenn etwa die Verzweiflung in Form einer Tsunamiwelle über Bastian zusammenschlägt.

Die Kompromisslosigkeit der Redings hat es allemal in sich. Sie entfesseln die Elemente des Kinos und treten eine Bilderlawine gegen all jene los, die im wirklichen Leben gegen Penner, Punks, Ausländer und andere vermeintliche Außenseiter zündeln. Bilder, die das Zeug dazu haben, jeden noch so dumpfen Jugendlichen aufzuschrecken.

Central, Colosseum, FT Friedrichshain, Kant, Moviemento, Yorck

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false