Kultur: Kirsten Harms gräbt das Beil aus Die Pläne der
Deutschen Oper Berlin
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Noch kennt ihn in Berlin keiner, den italienischen Komponisten Vittorio Gnecchi (1876–1954). Am 3. November soll sich das ändern. Dann wird Kirsten Harms eine Doppelinszenierung von Richard Strauss’ „Elektra“ und Gnecchis 1905 von Toscanini uraufgeführter „Cassandra“ herausbringen. Die Intendantin der Deutschen Oper Berlin besteht weiterhin darauf, ein „Haus der Entdeckungen“ zu führen. Allerdings hat sie aus der massiven Kritik an ihrer Spielplanpolitik Konsequenzen gezogen. So zeigt sie „Elektra“ viermal mit Gnecchis Einakter, in dem erklärt wird, warum Elektra ein Beil vergraben hat, das für ihre eigene Mutter bestimmt ist, aber eben auch dreimal ohne das unbekannte Verismo-Werk des unbekannten Italieners. Es dirigiert Leopold Hager, Susan Anthony respektive Jane Henschel singen die Klytämnestra. Im Herbst 2008 will Kirsten Harms dann den neuen Strauss-Zyklus an der Bismarckstraße mit der „Ägyptischen Helena“ fortsetzen.
Acht Premieren, doppelt so viele wie in dieser Saison, bietet die Deutsche Oper in der kommenden Spielzeit an – und setzt dabei nicht mehr nur auf Newcomer. Auch hier reagiert Harms auf Druck von Presse, Politik und Publikum, nimmt beispielsweise ihren Chefregisseur Alexander von Pfeil aus der Schusslinie und bietet Christoph Schlingensief auf, der die szenische Uraufführung von Walter Braunfels’ 1938 – 43 entstandenen „Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna“ inszenieren wird (Dirigent: Ulf Schirmer). Mit der Versicherung „Er will eine seriöse Arbeit abliefern“, erntete die Intendantin bei der Pressekonferenz am Montag viele Lacher.
Der „Erste Ständige Gastdirigent“ des Hauses, Yves Abel, und Roland Schwab bringen Eugen d’Alberts „Tiefland“ heraus, Maestro Alberto Zedda betreut eine konzertante Aufführung von Rossinis „Donna del Lago“ (mit Antonino Siragusa und Ruxandra Donose), Christopher Alden und Generalmusikdirektor Renato Palumbo zeichnen für eine neue „Aida“ verantwortlich. Palumbo wird außerdem Wagners „Fliegenden Holländer“ dirigieren (Regie: Tatjana Gürbaca). Im Juli 2008 gibt es als Sommerbespielung Gershwins „Porgy and Bess“.
Vor allem bei der Auswahl der Sänger scheint man sich an der Deutschen Oper nach dem Motto des italienischen Komödiendichters Carlo Goldoni gerichtet zu haben: „Es gibt kein besseres Mittel, ein Publikum, das sich abwendet, zu bestrafen, als es zu zwingen, uns seinen Beifall zu schenken.“ Mit klangvollen Namen wie Christine Schäfer, Elina Garanca, Natalie Dessay, Daniela Barcellona, Anne Sophie von Otter, Salvatore Licitra, Anja Harteros, Marcelo Alvarez oder Nadja Michael dürfte es gelingen, das 1800- Plätze-Haus zu füllen.
Ihre Abonnenten behandelt die Deutsche Oper übrigens auch künftig besonders gut. Nicht nur, dass sie von der angekündigten Erhöhung der Ticketpreise verschont bleiben, sie sind auch im Vorteil, wenn es um die drei „Traviata“-Aufführungen geht, die Anna Netrebko im November an der Bismarckstraße singen wird: Abobesitzer können ab heute Karten erwerben, für alle anderen beginnt der Vorverkauf für die Saison 07/08 erst am 15. April.
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