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Chlöe Swarbrick, Jahrgang 1994, von den neuseeländischen Grünen.

© Green Party, NZ

Kolumne "Spiegelstrich": Man spricht German

In die deutsche Sprache wandern immer mehr englische Begriffe ein. Dagegen ist nichts einzuwenden - nur auf sinnfreie und falsche Formulierungen sollte verzichtet werden.

Klaus Brinkbäumer war zuletzt Chefredakteur des „Spiegel“ und arbeitet heute als Autor unter anderem für „Die Zeit“. In seiner Kolumne „Spiegelstrich“ beschäftigt er sich mit der Sprache in der Politik.

Der höhnische Begriff stammt aus den USA, ist flink adoptiert worden, und er trifft. Wenn nun deutsche Millenials ihre Ungeduld mit Eltern und Lehrern ausdrücken wollen, packen auch sie ihre Verachtung in zwei Worte: „Ok, Boomer.“

„Boomer“ steht für „Baby-Boomer“, schon klar. Die neuseeländische Abgeordnete Chlöe Swarbrick, 25, ist ein Weltstar ihrer Generation, seit sie eine Klimarede hielt, gestört wurde, aufblickte und dem alten Zwischenrufer die Beinchen wegzog: „Ok, Boomer.“

Ist das aber gutes Deutsch? Heute ja. Denn Sprache bewegt und wandelt sich, so muss es sein. Früher vergingen Jahre, jetzt sind’s leider Stunden, jedenfalls: Durch regen Gebrauch kann ein fremdes zu einem deutschen Wort werden.

Wir googeln, was wir brauchen, und leben dann, hoffentlich top, cool und easy, mit Shopping, Recycling, Sound, Highlights und mitunter sogar mit Bodyguard, nutzen Computer, Laptop, E-Mail, mögen Surfboards, Party, Lifestyle, Talkshow, Airlines, Events, Casting, Bowling, Fitness; der Manager des Teams gibt uns Workaholics ein Feedback; wir verabreden uns online zum One-Night-Stand, und hinterher relaxen wir.

Darum: Es ist zu spät, gegen englische Begriffe kämpfe ich nicht mehr an (auch wenn ich lieber ein geradezu lateinisch altmodisches Mobiltelefon als ein Handy in der Hand halte).

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Eine Bitte aber habe ich: Wie wäre es, wenn unsere Wörter und Worte Sinn ergäben oder hätten, aber auch künftig nicht Sinn machten (von „to make sense“)? Darum bitte also nicht: „Come in and find out“ (Douglas). Auch nicht: „Make the most of now“ (Vodafone). Und nein, Adidas, „impossible is nothing“ ist zwar nicht blöder, aber auch nicht weniger blöd als „Power Balance Technologie“.

Bitte nicht „Drive in“

Und bitte auch nicht: „on the run“ als „auf dem Sprung“ (es heißt „auf der Flucht“). Amerikaner gehen zwar bisweilen ebenfalls zum public viewing, dort aber ist eine Leiche aufgebahrt. Sie tragen keine strings (wieso auch sollten sie Schnüre oder Saiten anziehen?) und nicht einmal einen slip, da „to slip“ ausrutschen heißt – sie bevorzugen untenrum panties oder briefs oder boxers. Ein Schnellimbiss, in den man ohne Big Mac hinein- und aus dem man mit Big Mac wieder herauskommt, heißt „Drive thru“. In Deutschland: „Drive in“. Because we come in and never find out?

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.
Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.

© Tobias Everke

[Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer]

Nein, eine Sprachpolizei wird uns nicht retten. Aber ich möchte dafür werben, dass wir auf sinnfreies Scheinenglisch verzichten und stattdessen immer noch sinnvollere deutsche Wörter entdecken.

À propos schöner sprechen, die Amerikaner beklauen uns gleichfalls: gemütlichkeit, leitmotiv, rucksack, blitz, weltanschauung, sauerkraut, wunderkind, delikatessen, schnitzel, realpolitik, poltergeist, weltschmerz, schadenfreude, kindergarten, zeitgeist, angst, wanderlust, kaputt, meister, doppelganger, bildungsroman. Das alles ist reines Amerikanisch, wird darum natürlich klein geschrieben. Ein einstmals deutsches Wort gilt in den USA als offiziell eingebürgert, sobald es in „Merriam-Webster’s Dictionary“ aufgenommen ist.

Der Dollar, kommt vom deutschen Taler

Die Schauspielerin Emma Watson übrigens mag das Wort „single“ nicht mehr und hat es durch „self-partnered“ ersetzt. Vorschlag: Wir verzichten sowohl auf eine Übersetzung (selbstverpartnert?) als auch auf das Original und geben dem „Single“ hiermit den Stempel „deutsch“.

Das amerikanische Wort aller Wörter, der Dollar, kommt vom deutschen Taler. Auch schmaltz stammt aus dem Deutschen: Es gibt also ein schmaltzy leitmotiv, und das ist dann, auf Deutsch wie auf Englisch: kitsch. Dass wiederum Michael Bloomberg im Wahlkampf von Amerikas Jugend mit „Ok, Bloomer“ begrüßt wurde, muss uns linguistisch nicht weiter interessieren.

Klaus Brinkbäumer

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