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Kultur: Konzeptkünstler als Amateur

Wo gibt es die letzten Tabus, wo gilt das Verbot bestimmter kultureller Praktiken? Im modernen Kunstbetrieb, behauptet das englische Künstlerduo Art & Language.

Wo gibt es die letzten Tabus, wo gilt das Verbot bestimmter kultureller Praktiken? Im modernen Kunstbetrieb, behauptet das englische Künstlerduo Art & Language.Und Rudolf Bumiller, Kunstlehrer, Gatte der Galeristin Gmeiner und diesmal auch Kurator, hat wie zum Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung von "A & L" eine Malerei ausgestellt, die nicht so recht in das Programm einer Galerie für moderne und avantgardistische Kunst passen will.

Die Gemälde von Tremezza von Brentano verkörpern mit ihrem linkischen Realismus jene Idee von der "Rückseite" der Kunst, die "A & L" als Gedankenspiel entwickelt haben.Die "Rückseite" meint das, was die heutige Malerei nicht zeigen darf.In der Galerie werden diese Überlegungen in einer Videoprojektion vorgestellt.Es handelt sich um das Dokument eines Ereignisses auf der letzten documenta in Kassel.Die "Jackson Pollock Bar" - eigentlich eine Freiburger Kneipe im Stil amerikanischer Etablisments der 40er Jahre - hatte den Diskurs von "A & L" über Kunst und Künstler szenisch von zwei Schauspielern aufführen lassen.

"A & L" entwickelten die Idee eines Künstler-Phantoms.Diese weiblich gedachte Figur gibt ihre Professionalität, also ihre Kompetenz, die sie am modernen Kunstbetrieb partizipieren läßt, am Wochenende auf, um die in der avancierten Malerei tabuisierten Landschaften oder Stilleben zu malen.Der Konzeptkünstler als Amateur: "Eine Gegenwelt zum marktförmig strukturierten Raum der professionellen Moderne und erst recht der Postmoderne", wie es bei "A & L" heißt.

An dieser Stelle greift der Zusammenhang mit der Malerin Tremezza von Brentano.Was "A & L" nur zu denken wagen, hat sie schon vor 25 Jahren vollzogen.In den 60er Jahren startete sie ihre Karriere als Konzeptkünstlerin.1976 aber kam die Wende.Tremezza stieg aus der Moderne aus und begann figürlich-realistisch zu malen.Damit verzichtete sie zugleich auf den Anspruch auf einen Platz im Museum.

Das Museum mit seinen streng kanonisierten, immergleichen Inhalten kommt bei ihr nur noch als Bildthema vor.In "Museum A" und "Museum B" erscheinen die abstrakten Heroen realistisch verfremdet: Pollock, Klein, Mondrian, Rothko und Vasarely.Daneben ist ein Mensch zu sehen, vielleicht ein Sammler in Version A, vielleicht ein Museumsdirektor in Version B (je 18 000 DM).Beide Figuren dienen als Statthalter einer geschlossenen Gesellschaft, auf die Tremezza verzichtet hat.Freiwillig.Ihre Kompetenz in Sachen moderner, konzeptueller Kunst hatte sie ja bereits unter Beweis gestellt.

Was ihr beim Schwenk zum Realismus fehlte, war malerisch-handwerkliches Können.Besonders bei den kleineren Bildern erkennt man noch immer ihre Schwierigkeiten bei der realistischen Darstellung der Hände.Offenbar aber macht Tremezza gerade aus ihrer technischen Inkompetenz einen eigenen Stil.Ihre Darstellungsweise funktioniert wie eine Eloge auf den Amateur, der seine Kunst aus Liebhaberei betreibt.Das ist seine eigentliche Qualität.

In der bei Kienzle & Gmeiner herbeigeführten Gegenüberstellung werden Avantgardekonzept und Amateurmalerei scheinbar austauschbar.Letztlich aber bestätigen "A & L" mit ihrer Idee des Konzeptkünstlers als Amateur nur die Prädominanz des Kontextes über das Werk.Ohne den Kontext wäre zwischen notgedrungenem und freiwilligem Amateurstatus nicht zu unterscheiden.Mit dem Wissen um den Kontext aber wechselt das Register.

Galerie Kienzle & Gmeiner, Bleibtreustraße 54, bis 1.April; Dienstag bis Freitag 13-19 Uhr, Sonnabend 11-16 Uhr.

RONALD BERG

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