zum Hauptinhalt
Muskelspiele: Jeff Koons’ „Popeye“ erzielte bei Sotheby’s 28 Millionen Dollar.

© Sotheby’s

Rekordauktionen bei Christie's: Koons fürs Kasino

„Wir reden zu viel über Geld“, behauptet der Chef des Auktionshauses Christie’s – das in New York verdient wie nie zuvor. Die Frühjahrsauktionen für zeitgenössische Kunst haben erneut Rekordzahlen erbracht.

Die unerhörten Ergebnisse der jüngsten New Yorker Auktionen haben Christie’s-Chef Steve Murphy zu einer Richtigstellung des öffentlichen Diskurses über den Kunstmarkt bewogen. Offensichtlich findet er, dass zu viel vom Geld und zu wenig von der Kunst geredet wird. „Dies ist ein außerordentlicher kultureller Moment“, betonte er deshalb, nachdem sein Auktionshaus fast eine Milliarde Dollar für aktuelle Kunst umgesetzt und allein in der Abendversteigerung zwölf Werke für mehr als 20 Millionen Dollar verkauft hatte. Nicht von Geldgier werde die Besitzfreude der Sammler getrieben, nicht vom „Versprechen finanziellen Gewinns“, sondern von reiner Begeisterung für die Kunst. Den Beweis für die kühne These sieht Murphy darin, dass Kunst „regelmäßig solche Beträge kostet und Bieter aus der ganzen Welt Schlange stehen, um solche Werke zu besitzen. Dieses Wachstum macht die wenigen individuellen, wahren Meisterwerke wertvoller als je zuvor“. Er gab diese Lektion in Kulturökonomie, nachdem Christie’s gerade das unglaublichste Geldtheater vorgeführt hatte, das der Kunstmarkt je sah. Ist Murphy die Umwandlung der Kunst in einen Finanzmarkt selbst unheimlich?

Ein halbes Jahr nach Christie’s historischer Rekordauktion vom November 2013 wurden noch einmal hundert Millionen Dollar draufgelegt, in einer weiteren dieser „historischen Rekordauktion“, an die wir uns offenbar gewöhnen müssen. 68 Lose für 745 Millionen Dollar, darunter endlose Rekorde und Preissprünge wie der eines Gemäldes von Gerhard Richter, das vor 18 Monaten noch 17,4 Millionen Dollar kostete und nun 29,3 Millionen brachte – fast 70 Prozent Preisinflation in 18 Monaten. Ein gestricktes Diptychon von Rosemarie Trockel, bei Sotheby’s Teil der Sammlung Adam Sender, brachte 4,7 Millionen Dollar. Im Oktober in London erst hatte die Künstlerin einen neuen Rekord geschafft – mit 1,2 Millionen Dollar.

Ein ganzer Teil der Gemälde war längst reserviert und versprochen

Wie Richters Bild hatte über die Hälfte der 72 Lose in Christie’s Abendauktion eine Preisgarantie – was bedeutet, dass den Preisen ein Boden eingezogen war. Flops sind so gut wie ausgeschlossen. Die Versteigerung war weniger die transparente, unmanipulierte Preisfindung, wie es dem Kern dieses Verkaufsformats entspricht, als vielmehr Schaukampf. Die Hintergründe solcher Arrangements bleiben obskur, aber in den meisten Fällen wird Christie’s bei garantierten Losen schon vor der Versteigerung einen Mindestpreis und einen potenziellen Liebhaber für das garantierte Werk zusammengebracht haben: Die Auktion selbst ist nur ein öffentliches Zelebrieren dieser Verhandlung, Finanztheater, das die im voraus ausgehandelten Preise vorführt – und wenn möglich übertrumpft. Mit dieser Schau produzieren die Auktionen das blinde, autosuggestive Vertrauen, das den Kunstmarkt und seine erstaunliche Preisblase antreibt.

Am Tag vor der Hauptauktion hatte Christie’s den Markplatz Kunst um einen zusätzlichen Termin erweitert. Man schuf ein Format für Kunst, die mit den Superpreisen noch nicht ganz, aber fast mithalten kann. Kunst der höchsten Mittellage, die in der Wahrnehmung von den schwergewichtigen Werken der arrivierten Nachkriegskunst verdeckt wird, von denen jedes für sich ein Fondsvermögen darstellt – dem Francis-Bacon-Triptychon für 80 Millionen Dollar oder Klassikern der amerikanischen Kunst wie Barnett Newmans „Black Fire I“, das diese Woche 84 Millionen Dollar kostete und damit den Rekordpreis für Newman um satte 41 Millionen Dollar nach oben setzte.

Aber wohlfeil war da nichts. Spitzenlos wurde eines jener Selbstporträts von Martin Kippenberger in Picasso-Unterhose, die den Zenith der Marktes für den deutschen Kunstexzentriker darstellen. Es war offenbar ein Chinese, der telefonisch fast absurde 18 Millionen Dollar bezahlte – dreimal so viel wie den erst vor einem halben Jahr mit 6,4 Millionen Dollar erzielten bisherigen Toppreis. Laut Werbung war die Auktion der schwierigen, „herausfordernden“ Kunst gewidmet. Den Titel der Auktion, „If I live I’ll see you Tuesday“, entnahm der junge Christie’s-Experte Loic Gouzer, der die Auktion organisierte, einem „Joke Painting“ von Richard Prince, das dann für 4,6 Millionen Dollar verkauft wurde. Der Witz beschreibt gut die hippe Gegenwart, die den Kunstmarkt antreibt. Nun also ist ein Kippenberger teurer als Kandinskys Murnau-Bild von 1909, das vergangene Woche von der Sammlung Langen versteigert wurde – auch teurer übrigens als Jackson Pollocks Gemälde aus der E.ON-Firmensammlung, das das Unternehmen eingeliefert hatte: „Number 5, 1951/Elegant Lady” brachte nur 11,4 Millionen Dollar, nicht einmal die Schätzung.

Milliardäre aus Asien kaufen Bacon, Basquiat und Calders fliegende Fische

Was die Auktionen wirklich antrieb, war die Heerschar der Asiaten hinter den Telefonen. Der neue Schub der Kunstpreisblase wird von ostasiatischen Milliardären angetrieben – wer weiß, ob sie es dabei auf Murphys höhere Kultur des Kunstgenusses abgesehen haben oder auf finanziellen Gewinn, ob sie mit dem Kollaps der chinesischen Wirtschaft rechnen und Geld in Sicherheit bringen wollen. Oder ob Kunst ganz einfach nur das ultimative Statussymbol des globalen Superreichtums im 21. Jahrhundert geworden ist. Jedenfalls gab die hübsche Xin Li, in Christie’s wachsendem Asienimperium für das Management der Spitzensammler zuständig, an diesem Abend den Hörer kaum aus der Hand. Scharfe Beobachter der Auktion rechneten aus, dass sie allein für ihre Kunden die Hälfte der Spitzenlose und 30 Prozent der ganzen Auktion ersteigerte – für rund 220 Millionen Dollar.

Nach Asien gingen ein Richter, ein Jean-Michel Basquiat für 7,4 Millionen Dollar, das Bacon-Triptychon mit dem Porträt von John Edwards und Jeff Koons’ mit Whisky beladener, silberner „Jim Beam – J.B.Turner Train“, eine 2.90 Meter lange Modelleisenbahn, für die einer der unbekannten chinesischen Starsammler 29 Millionen Dollar bot. Genau wie am Vortag auch Alexander Calders schwarzes Fischschwarm-Mobile „Poisson volant“, das bei einer Schätzung von neun bis zwölf Millionen Dollar auf 26 Millionen Dollar hochgetrieben wurde.

Sotheby’s Auktion am Tag darauf war bescheidener: Hier wurde weniger als die Hälfte umgesetzt, aber auch die 364 Millionen Dollar Einnahme war eine der besten in der Geschichte des Hauses. Wieder waren die Rückgänge verschwindend gering. Toplos war eine Serie von sechs „Fright“-Selbstporträts von Andy Warhol (30 Millionen Dollar), ein weiterer Richter zum Einheitspreis von 29 Millionen Dollar und Jeff Koons’ „Popeye“. Der glitzerbunte, zwei Meter hohe Muskelprotz ist das passende Maskottchen der Auktionswoche: Kaum drei Jahre alt, noch nie auf dem Markt, brachte er schon 28 Millionen Dollar. Käufer war der Kasino-Magnat Steve Wynn, der früher einmal Rembrandt und Monet, dann Picasso sammelte, nun aber dafür zu schlechte Augen hat. Er will die Skulptur in Las Vegas vor seinem Kasino-Hotel aufstellen.

Zur Startseite